Diese Kenntnis hat Facebook spätestens, seit Juns Kanzlei die Seiten von Sabrina S. und 17 anderen „Hasspredigern“ dort gemeldet hat. Die Antwort des Unternehmens ist allerdings lapidar: „Danke, dass du dir die Zeit nimmst etwas zu melden, was eventuell gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstößt. Meldungen wie deine sind ein wichtiger Beitrag zur Sicherheit auf Facebook und tragen zu einer einladenden Umgebung bei. Wir haben das von dir . . . gemeldete Foto geprüft und festgestellt, dass es nicht gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstößt“, schreibt der Konzern.
Dabei heißt es in Bezug auf „Hassbotschaften“ in den Facebook-„Gemeinschaftsstandards“: „Facebook entfernt sämtliche Hassbotschaften, d. h. Inhalte, die Personen aufgrund der folgenden Eigenschaften direkt angreifen: Rasse, Ethnizität, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Geschlecht bzw. geschlechtliche Identität oder schwere Behinderungen oder Krankheiten. Die Präsenz von Organisationen und Personen, die Hass gegen diese geschützten Gruppen schüren, ist auf Facebook nicht zulässig. Wie bei allen unseren Standards vertrauen wir darauf, dass unsere Gemeinschaft uns entsprechende Inhalte meldet.“
Juns Kanzlei hat „regelmäßig Fälle von offensichtlicher Volksverhetzung an Facebook gemeldet“ und „ausnahmslos die Antwort“ bekommen, dass die Postings „nicht gegen die Gemeinschaftsrichtlinien verstoßen“. Allerdings, so der Anwalt, „haben wir zuletzt bemerkt, dass zwar unsere Beschwerden zurückgewiesen, einige der Kommentare aber gleichwohl entfernt wurden“. Dabei sei allerdings „keine tatsächlich neue Linie von Facebook erkennbar geworden“.
Inzwischen hat Jun sowohl per E-Mail, als auch per Post die Facebook Germany GmbH in Hamburg auf ihre „strafrechtliche Verantwortung für Delikte der Volksverhetzung u. a. auf dem Portal facebook.com durch Förderhandlungen“ hingewiesen. Den Schreiben sind 18 Screenshots von Hassreden von Facebook-Usern beigelegt, die laut Jun „den Straftatbestand der Volksverhetzung“ erfüllen. „Es ist uns klar, dass Facebook Inc. und nicht Facebook Germany Betreiberin des Portals ist“, sagt Jun im Gespräch mit der Redaktion. Allerdings sei Facebook Germany ein „verbundenes Unternehmen“, das „Werbeeinnahmen für die Konzernmuttergesellschaft generiert“. Und damit steht für den Anwalt fest, dass „Facebook Germany die Verbreitung von volksverhetzenden, strafbaren Inhalten durch Handlungen in Deutschland fördert“. Es handle sich auch nicht etwa „um Einzelfälle“, betont Jun. „Es ist die durchgängige Unternehmenspolitik von Facebook Inc., strafbare Inhalte zu billigen und zu verbreiten.“
Facebook bestritt am 11. September zunächst, den Anhang zu Juns E-Mail erhalten zu haben, weshalb die Kanzlei ihn erneut schickte. Am 14. schrieb das Unternehmen an die Kanzlei, man habe den Anwaltsschriftsatz „immer noch nicht erhalten“. Die Redaktion, die im selben Verteiler war, hatte allerdings alle E-Mails und Anhänge vorliegen. „Facebook Germany will Zeit gewinnen“, vermutet Jun, „man wartet dort wahrscheinlich auf Hinweise vom Mutterkonzern in den USA, wie man nun vorgehen soll.“
Der Anwalt hat jetzt, wie in seinem Schreiben angekündigt, bei der für die Facebook Germany GmbH zuständigen Staatsanwaltschaft Hamburg Anzeige erstattet und darüber hinaus die Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe eingeschaltet. „Wenn in Deutschland sogar die Darstellung eines durchgestrichenen Hakenkreuzes als Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verfolgt wird, kann es nicht sein, dass das Unternehmen Facebook ungeschoren davonkommt, wenn es Aufrufe zur Gewalt und volksverhetzende Äußerungen verbreitet“, sagt Jun.
Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte in den letzten Wochen deutliche Worte für die ausländerfeindlichen Umtriebe auf Facebook gefunden – und dafür viel Beifall bekommen. Das Internet sei kein rechtsfreier Raum, in dem rassistische Hetze und strafbare Äußerungen verbreitet werden können, hatte Maas gesagt und Facebook-Vertreter zu einem Gespräch in sein Ministerium gebeten. Zuletzt hatte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Interview erklärt, dass „nicht nur der Staat“ agieren müsse, wenn Menschen in sozialen Netzwerken „Volksverhetzung betreiben“. Auch das Unternehmen Facebook sollte gegen diese Parolen vorgehen.
Anfang der Woche traf sich Richard Allen aus Dublin, Manager of Policy bei Facebook Europa, mit dem deutschen Justizminister. Das Ergebnis der Unterredung ist alles andere als bahnbrechend: Es soll eine Arbeitsgruppe gegründet werden mit Leuten aus der Politik, von Facebook und anderen sozialen Netzwerken sowie sogenannten „Nichtregierungsorganisationen“ (NGOs), die gegen Hassbotschaften im Netz kämpfen. „Möglichst bis Ende des Jahres“, so Maas, sollten Maßnahmen organisiert werden, um zum Beispiel fremdenfeindliche oder beleidigende Äußerungen schnell von Online-Portalen zu löschen.
Nach der Unterredung tat Facebook–Mann Allen artig kund, dass sein Unternehmen sich darauf freue, von den deutschen Experten zu lernen und Maas zeigte sich „sehr dankbar“, dass Facebook seine „Verantwortung wahrnimmt“.
Kurz vor dem Treffen mit Maas hatte das soziale Netzwerk übrigens publikumswirksam einen Maßnahmenkatalog gegen rassistische Hetze vorgestellt. Darin heißt es unter anderem, dass man eine „Partnerschaft mit der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia (FSM)“ anstrebe. Richard Allen: „Wir begrüßen es, dass uns die FMS helfen wird, wenn Menschen auf Facebook mit unseren Entscheidungen nicht einverstanden sind.“
Rechtsanwalt Jun bezweifelt, dass Facebook durch die Bildung einer Task Force sein Verhalten ändert. „Das Unternehmen möchte überall auf der Welt dieselbe Politik machen und keine nationalen Richtlinien erlassen“, sagt der Jurist. Das soziale Netzwerk sei, zumindest derzeit, auch nicht bereit, „auf nationale Gesetze Rücksicht“ zu nehmen. Chan-jo Jun: „Facebook will weltweit amerikanische Standards durchsetzen.“
Die Möglichkeit, dass Facebook-Gründer und Vorstandsvorsitzender der Facebook Inc. Mark Zuckerberg „am Frankfurter Flughafen wegen massenhafter Volksverhetzung in Haft genommen wird“, hält Jun „für unterdurchschnittlich wahrscheinlich“. Dass „niederrangige Manager und Sachbearbeiter“ des Facebook-Konzerns „bei konkreten Ermittlungsergebnissen Strafbefehle bekommen“, sei aber möglich. Und spätestens dann werde „die Unternehmensleitung hoffentlich ihre Verbreitungspolitik überdenken“.
Gebeten um Stellungnahme zu Juns Anzeige schickte Facebook der Main-Post-Redaktion nur ein standardisiertes Schreiben. Auf die Vorwürfe geht man darin nicht ein.
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