Zentral ist, dass die BGH-Richter eine Schuld Grönings ausdrücklich auch für die Opfer bejahen, «bei deren Eintreffen er keinen Rampendienst versah». Voraussetzung der «Ungarn-Aktion» sei «das Bestehen eines organisierten Tötungsapparates» gewesen. Dazu habe auch das diensttuende Personal gehört. Damit hebt sich die Entscheidung deutlich ab von einem BGH-Urteil von 1969. Damals hatten die Richter den Freispruch eines Lagerarztes bestätigt, weil nicht jeder in Auschwitz «für alles Geschehene verantwortlich» gewesen sei. Das hatte die Verfolgung von Handlangern über Jahrzehnte erschwert.
Nun sei endlich anerkannt, dass auch die «funktionelle Beihilfe» von SS-Leuten im Lager Massenmord gewesen sei, erklärten die Anwälte der meisten Nebenkläger, Thomas Walther, Cornelius Nestler und Manuel Mayer. Erst das Urteil gegen John Demjanjuk sei die Wende gewesen.
Der frühere Aufseher im Vernichtungslager Sobibor wurde 2011 wegen Beihilfe zum Mord an 28 000 Juden zu fünf Jahren Haft verurteilt. Das Urteil wurde nicht rechtskräftig, weil Demjanjuk vorher in einem Pflegeheim starb. Die Nazijäger von der Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen nahmen den späten Prozess aber zum Anlass, ihre Ermittlungen auch in anderen Fällen voranzutreiben.
Der Leiter der Zentralen Stelle, Jens Rommel, nahm die BGH-Entscheidung erleichtert auf. Es sei heute nahezu ausgeschlossen, eine Tatbeteiligung noch im Einzelnen nachzuweisen. Hätte der BGH darauf gepocht, «wäre es kaum möglich gewesen, Leute noch zur Verantwortung zu ziehen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Das Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem forderte Deutschland auf, weiter NS-Verbrecher zur Rechenschaft zu ziehen. «Die Zeit verringert nicht die Schuld dieser Mörder», sagte der Leiter Efraim Zuroff. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erklärte, für Gerechtigkeit sei es nie zu spät. «Auch bei der juristischen Aufarbeitung von Auschwitz darf es keinen Schlussstrich geben.» Das Internationale Auschwitz Komitee bezeichnete die Entscheidung als «lange wirkendes Signal» auch für künftige Völkermord-Prozesse.
dpa