Prozess gegen den Beißer von Hollfeld

Von Manfred Scherer
 Foto: red

Er ist ein gestandenes Mannsbild. Er ist in der Feuerwehr und in der Rot-Kreuz-Bereitschaft. Seine Zivilcourage beim Hollfelder Schützenfest bezahlte er mit einer sechsmonatigen Leidenszeit. Ein Betrunkener verbiss sich in seinem Arm. Der Beißer stand jetzt vor Gericht.

 
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Wenn der Amtsrichterin Christiane Breunig mal die Spucke wegbleibt, ist das eine Besonderheit. Gerade hatte sie den 33-jährigen Zeugen aufgefordert: „Zeigen Sie mal her.“ Der krempelte seinen Ärmel hoch, die Richterin sah die Narbe am Unterarm und sagte dann nach kurzem Zögern: „Meine Herrn!“

Die Narbe am Arm wird den Zeugen sein Leben lang an das Hollfelder Schützenfest von 2017 erinnern. Er war in Uniform da, als Mitglied der Feuerwehr. Und da war auch dieser junge Mann, der sich im Festzelt nicht mehr im Griff hatte. Und am Ende am Boden liegend in den Arm des Hollfelders biss. Und wie ein Kampfhund nicht mehr los ließ. Der Gebissene sagt: „Es waren etwas weniger als acht Minuten. Wir hatten gerade die Polizei alarmiert, als er sich verbiss. Ich musste ihn loslassen und wenige Momente später traf draußen die Polizei ein.“ Die Polizei hatte acht Minuten gebraucht.

Angeklagter behauptet Notwehr

Der 25-jährige Angeklagte ließ seine Verteidigerin Dorrit Franze erklären: Er sei seit langem Alkoholiker, habe auf dem Schützenfest fünf Maß Bier und Asbach-Cola getrunken und „aus Angst“ in Notwehr gehandelt. Denn der 33-Jährige habe ihn gepackt und ihm die Luft abgeschnürt. Dass die Richterin das für eine Schutzbehauptung hielt, machte sie ohne Umschweife klar: „Wenn sie wirklich gewürgt worden wären, wie kriegen Sie dann ihr Gebiss an den Unterarm?“

Der Verletzte sagte als Zeuge, dass der Angeklagte im Bierzelt randaliert hatte. Ein Kollege vom Schützenverein habe den Randalierer im Schwitzkasten gehabt. „Wir wollten die beiden trennen.“ Das gelang erst mal, der Betrunkene sollte das Zelt verlassen. Doch statt sich zu trollen, randalierte er weiter. Der Zeuge: „Er hat uns beleidigt und warf eine Bierbank in unsere Richtung. Wenn ich nicht ausgewichen wäre, hätte die Bank mich getroffen.“

"Er hat Kräfte entwickelt - Wahnsinn"

Der Zeuge entschied sich, den Randalierer im Rahmen des Jedermannsrechts festzunehmen: „Ich habe versucht, ihn im Schwitzkasten am Boden zu fixieren. Ich bin irgendwie abgerutscht und deshalb konnte er zuschnappen. Er hat Kräfte entwickelt – Wahnsinn.“ Er habe den Randalierer lediglich mit einem Arm im Schwitzkasten gehabt, gewürgt habe er den Mann nicht: „Ich habe ihm nur mal die Nase zugehalten, weil ich hoffte, er würde den Biss lockern.“

Das Opfer berichtete, dass die Wunde erst nach einem Vierteljahr verheilt war. Innerhalb der kreisförmigen Narbe sei das Gewebe taub. Ein halbes Jahr musste er Tuberkulose- und Aidstests mitmachen, ehe klar war, dass er nicht infiziert worden war. Der Angeklagte ist nicht zur Alkoholiker, sondern auch Drogenkonsument.

Der Staatsanwalt beantragte vier Monate Bewährungsstrafe und als Auflage ein Schmerzensgeld von 1000 Euro an das Opfer.

Richterin Breunig verneinte die von der Verteidigerin reklamierte Notwehr. Der Zeuge habe den Angeklagten keinesfalls rechtswidrig in den Schwitzkasten genommen und ihn schon gar nicht gewürgt: „Über so lange Zeit, fast acht Minuten zubeißen – da hat man keine Luftprobleme.“

Breunig verhängte vier Monate auf Bewährung. Das Opfer kriegt nichts, denn die Bewährungsauflage besteht in achtzig Stunden gemeinnütziger Arbeit, alternativ 800 Euro an den Bewährungshilfeverein Fähre.

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