Projekt Regioident Suche nach der Fichtelgebirgs-Identität

Viele, die den Fragebogen des Projektes Regioident bereits ausgefüllt haben, identifizieren vor allem den Ochsenkopf und die Luisenburg, wo unser Bild entstand, mit dem Fichtelgebirge. Fotos: Florian Miedl / kst Foto: Markus Roider

WUNSIEDEL. Was macht den Fichtelgebirgler aus? Was ist typisch "fichtelgebirglerisch"? Mit diesen Fragen hat sich bei seinem ersten Treffen der Arbeitskreis "Kunst und Kultur" im Rahmen des Projektes "Regioident Fichtelgebirge" beschäftigt, bei dem die Landkreise Wunsiedel, Tirschenreuth und Bayreuth zusammenarbeiten. Dass das festzulegen gar nicht so einfach ist, zeigt die Tatsache, dass die Mitglieder des Arbeitskreises dazu höchst unterschiedliche Ansichten hatten und sich nach gut einer Stunde Diskussion nur vage auf die eine oder andere Definition einigen konnten.

 
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Yvonne Müller vom Fichtelgebirgsmuseum Wunsiedel, die Leiterin des Projekts, hörte mit wachsender Begeisterung zu. Hat sie sich doch zusammen mit ihren Mitstreiterinnen im Museum auf die Suche gemacht nach der Fichtelgebirgs-Identität. Wenn sie auch weiß, dass eine Definition von Identität "wie die Quadratur des Kreises ist".

Die Idee zu dem Projekt, verrät sie, stamme ursprünglich von der Museumsleiterin Dr. Sabine Zehentmeier-Lang. "Wir wollen herauskitzeln: Wer fühlt sich denn überhaupt als Fichtelgebirgler?" Und da ein solches Empfinden nicht an einer irgendwann einmal gezogenen politischen Grenze aufhört, denken die Organisatoren von "Regioident Fichtelgebirge" auch nicht unbedingt streng geografisch. "Wir beziehen inhaltlich auch den Landkreis Hof mit ein", sagt Yvonne Müller.

In ihrem "täglichen Geschäft" im Museum hätten sie und ihre Kollegen gemerkt, dass bei vielen nur noch wenig Wissen über die eigene Heimat vorhanden ist. "Gerade bei Jugendlichen ist das Interesse daran aber sehr groß", hat sie festgestellt. "Ebenso bei jungen Eltern, die ihren Kindern später mal etwas über ihre Heimat erzählen wollen." Fragen kämen aber durchaus auch von Älteren, die inzwischen schon wieder vieles vergessen hätten. "Deshalb wollen wir wissen: Was empfinden die Menschen überhaupt für die Region, und was wissen sie noch?"

Aus diesem Grund gibt es auf der Internetseite des Museums unter www.fichtelgebirgsmuseum.de einen Fragebogen, in dem man angeben kann, was man mit dem Fichtelgebirge am ehesten verbindet, womit man sich identifiziert.

"Den Fragebogen haben schon 800 Leute aus allen Altersgruppen und aus allen beteiligten Landkreisen ausgefüllt", berichtet Müller erfreut und weist darauf hin, dass man jederzeit - noch bis August - mitmachen kann. Den Fragebogen kann man hochladen über einen QR-Code; man findet ihn auf der Internetseite und auf der Facebook-Seite und kann ihn per E-Mail ans Fichtelgebirgsmuseum schicken oder auch - ganz analog - ausgedruckt einfach dort abgeben. "Ab Januar wird es außerdem eine Homepage geben mit Blog-Funktion", kündigt Yvonne Müller an, "da kann dann jeder auch etwas reinstellen zum Thema Fichtelgebirge, das dann, wenn es geprüft wurde, freigeschaltet wird."

Die Orte, Veranstaltungen, Flüsse oder Einrichtungen, die dabei am häufigsten genannt werden, wobei auch eigene Vorschläge willkommen sind, heißen "Identitätsanker". Und hier würden bei den typischen Landschaften etwa der Ochsenkopf oder auch beim Aspekt Kultur die Luisenburg sehr oft übereinstimmend genannt.

"Der Fragebogen ist die Grundlage für die verschiedenen Arbeitskreise", erläutert Müller. "Die Mitglieder - alles Fachleute auf ihrem Gebiet - greifen die Aussagen auf, bearbeiten sie und ergänzen sie durch ihr eigenes Hintergrundwissen, das dann auf unserer Facebook-Seite veröffentlicht wird." Das sei ein großer Vorteil, denn die Fachleute für die einzelnen Themen könnten so eine große Anzahl Interessierter viel detaillierter informieren.

"Das Wissen weiterzugeben, ist der zweite Schritt", fährt sie fort. "Auf diese Weise können wir eine deutlich bemerkbare Überlieferungslücke schließen." Und das komme wiederum nicht nur Zuzüglern und Migranten, sondern durchaus auch Einheimischen zugute. Yvonne Müller hat festgestellt, dass sich junge Leute sehr für Dialekt interessieren. "Auf diese Weise macht sich die Identifizierung mit der Heimat fest", folgert sie. Und: "Wir wollen ja auch, dass sich so etwas entwickelt. Für uns sind die Ergebnisse spannend: Was ist wichtig für die Leute, das wir übernehmen und präsentieren können."

Um das zu erfahren, gehen die unterschiedlichen Arbeitskreise verschiedene Wege. So habe der mit dem Schwerpunktthema "Brauchtum" vor, mit den Vorschlägen und Nennungen aus den Fragebögen nach der Prüfung durch die Mitglieder einen Brauchtumskalender zusammenzustellen. "Sprache und Literatur" hat sich vorgenommen, Dialekt-Wörter aufzunehmen und zu retten, die in Vergessenheit zu geraten drohen. Der Arbeitskreis "Natur und Kulturlandschaft" beschäftigt sich mit dem geografischen Fichtelgebirge und fragt: "Wie prägt die Landschaft die Menschen?", "Wie haben sich die Menschen auf die hiesigen Böden und den Bewuchs eingestellt?" Die Mitglieder des Arbeitskreises "Industrie, Handwerk und Gewerbe" haben sich bislang bei zwei Fach-Vorträgen über die Textilverarbeitung und den Bergbau im Fichtelgebirge informiert.

Für Yvonne Müller ist es spannend zu sehen, was in den verschiedenen Themenkreisen erarbeitet und schließlich von einem Kuratorium angenommen werden wird. "Man lernt bei jeder Arbeitskreis-Sitzung etwas Neues kennen", sagt sie und kommt zu dem Schluss: "Das Fichtelgebirge ist durch seine Vielfalt so unglaublich spannend, dass sich die Themen, über die sich zu diskutieren lohnt, nie erschöpfen."

Spätestens Ende nächsten Jahres allerdings sollte zumindest ein Zwischenergebnis der ganzen Arbeit vorliegen. Denn dann wollen Yvonne Müller und ihr Team im Fichtelgebirgsmuseum eine Ausstellung dazu zeigen. "Dokumentiert werden soll dann aber auch der Prozess, wie es zu den Ergebnissen gekommen ist", kündigt sie an, "so dass die Bürger, die mitgemacht haben, auch sehen, was aus ihren Vorschlägen geworden ist." Dass sich nicht jeder mit denselben Dingen wird identifizieren können, ist ihr klar. Doch Yvonne Müller sagt: "Zu einem Status quo wird man nie kommen. Identität ist ja im Wandel."

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