Der Erzählstil wechselt, je nach Laune, so wie es auch Tagebucheinträge gerne tun. Insgesamt klingt Stellings Text so, als könne er in Auszügen auch gut auf einer Poetry-Slam-Bühne vorgetragen werden. Resi spielt mit Songzitaten, Erinnerungen und auch mal Satzzeichen. Beispiel: "Idee für einen Songtext: My hungry heart hitchhikes, my ass is on Sitzstreik".
Mit "Schäfchen im Trockenen" umkreist Stelling ähnliche Themen und Fragen wie schon in "Bodentiefe Fenster". Damit stand die Autorin, geboren 1971 in Ulm, auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.
"Wir wollten einander davor bewahren, gescheit im Sinne von rücksichtslos, erwachsen im Sinne von überfordert, verheiratet im Sinne von eingesperrt und Eltern im Sinne von paternalistisch zu werden", schreibt Resi über ihren Freundeskreis, der seit Schulzeiten - also knapp drei Jahrzehnten - bestand. Finanziell gehörte sie nie so richtig dazu, intellektuell aber schon.
Es scheint eine Resignation zu sein. Denn ihre Clique, alle außer ihr selbst aus gehobenem Elternhaus und mit gehobenem Einkommen, ziehen ohne sie in ein gemeinsames Hausprojekt, kündigen Resi wegen ihrer erbarmungslosen Analysen über die Lügen des Bionade-Bürgertums die Freundschaft - und letztlich auch noch den Untermietvertrag für die günstige Wohnung in der Innenstadt.
Und Resi weiß weder, wie sie mit dieser Situation umgehen, noch wie sie das ihrer Familie beibringen soll. Ihre Freunde hätten es sicher gewusst, denn eine ihrer liebsten Phrasen war stets "weiß man doch". Nur Resi, die weiß es eben nicht.
Es liegt am Leser, ob er das als Anklage versteht, oder als Aufmunterung, den Weg der 68er wieder aufzunehmen. Aber eben nicht nur die Ungleichheit wegzuschweigen, sondern sie kleiner zu machen. "Schäfchen im Trockenen" ist nicht nur eine Abrechnung, sondern klingt wie ein Appell zu akzeptieren, dass das Leben voller Ecken und Kanten ist - Scheitern ist nicht immer eine Chance, aber Nachsicht ist nötig.
Anke Stelling: Schäfchen im Trockenen. Verbrecher Verlag, Berlin, 266 Seiten, 22 Euro, ISBN: 978-3-95732-338-5