Plädoyers im Prozess gegen Mitglieder des Motorradclubs Grave Diggers Bikerprozess in Bayreuth: Staatsanwaltschaft beantragt Freispruch

Von Moritz Kircher
Im Prozess gegen sechs Mitglieder des Motorradclubs Grave Diggers Bayreuth-Wunsiedel wurden am Dienstag die Plädoyers gehalten. Symbolfoto: Peter Steffen / dpa Foto: red

Im Prozess um einen versuchten Totschlag gegen sechs Mitglieder des Motorradclubs Grave Diggers Bayreuth-Wunsiedel zeichnet sich ein Freispruch ab. Nicht nur die Verteidiger, sondern auch Oberstaatsanwältin Juliane Krause beantragt in den Plädoyers am sechsten Verhandlungstag am Dienstag Freisprüche. Einzig Nebenklageanwalt Wolfgang Schwemmer schätzt die Sache anders ein.

 
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Niemand zweifelt daran, dass Norbert P., Präsident der Motorradgemeinschaft Easyriders, am 10. September 2010 in seinem Vereinsheim in Goldkronach Opfer eines Angriffes wurde. Nicht einmal die Verteidiger der Angeklagten, wie in deren Plädoyers deutlich wird. Doch ist die Tat den sechs Männern auf der Anklagebank nachzuweisen? Daran hat selbst die Oberstaatsanwältin derart große Zweifel, dass sie einen Freispruch beantragt – aus Mangel an Beweisen.

Staatsanwältin: "Verhalten wie im Kindergarten."

„Fest steht, dass Norbert P. brutal zusammengeschlagen wurde“, sagt Krause. Die Oberstaatsanwältin ist überzeugt, dass der Angriff vom konkurrierenden Motorradclub ausgeführt wurde. Und das alles offenbar wegen einem Rückenaufnäher, wie es in der Verhandlung immer wieder heißt? Das sei ein „Verhalten wie im Kindergarten von erwachsenen Männern“, sagt Krause.

Doch die Zeugenaussagen seien zu widersprüchlich, als dass man den Angeklagten die Beteiligung am Angriff zur Last legen könne. „Vermutungen reichen im Strafprozess nicht aus“, schließt Krause ihr Plädoyer.

Verteidiger: "Was nicht passt, wird passend gemacht."

Auch die sechs Verteidiger der Angeklagten plädieren auf Freispruch für ihre Mandanten. Nicht nur, dass man keinem der Angeklagten eine konkrete Handlung nachweisen könne, die er beim Angriff auf Norbert P. begangen haben soll. Die Verteidiger ziehen auch in Zweifel, dass man den Angeklagten überhaupt nachweisen könne, am Tatabend in Goldkronach gewesen zu sein.

Immer wieder dreht es sich in den Plädoyers um die Widersprüche, die sich in den zahlreichen Vernehmungen vor allem in den Aussagen der Familienangehörigen des Opfers fanden. „Was nicht passt, wird passend gemacht“, werfen die beiden Verteidiger Marc Brab und Thomas Lößel den Zeugen aus dem Kreis der Familienangehörigen und Freunden des Opfers unabhängig voneinander vor.

Widersprüche um vermeintlich identifiziertes Nacken-Tattoo

Vor den Plädoyers muss der Sohn von Norbert P. ein zweites Mal in den Zeugenstand treten. Es geht ein weiteres Mal um die Tätowierung im Nacken eines Angeklagten, an der Kai P. den Mann am Tatabend erkannt haben will.

Doch an einem der früheren Verhandlungstage hatte ein Tätowierer aus Marktredwitz ausgesagt, das Tattoo erst zwei Jahre nach dem Angriff bei einer Messe in Bindlach gestochen zu haben. Erst im letzten Moment sagt Kai P. gestern auf mehrmalige Nachfrage des Gerichts: „Es war ein farbiges Nackentattoo. Ob es dasselbe war, kann ich nicht sagen.“

Einseitig im Umfeld der Grave Diggers recherchiert?

Es sind widersprüchliche Aussagen wie diese, die nicht nur bei der Verteidigung, sondern auch bei der Staatsanwaltschaft Zweifel aufkommen ließen. Mehrfach wurde problematisiert, dass Norbert P. und seine Familie viel zu den möglichen Tätern recherchiert hatten. Und das einseitig im Umfeld der Grave Diggers.

So sei vor Gericht nur noch schwer zu unterscheiden: An was erinnern sich die Zeugen, und was haben sie sich möglicherweise im Nachhinein zusammengereimt? Verteidiger Jochen Kaller unterstellte hier sogar vorsätzliche Falschaussagen.

Nebenklage übt Kritik an der Strategie der Verteidiger

Lediglich Wolfgang Schwemmer sieht es als Vertreter der Nebenklage als erwiesen an, dass die Angeklagten am 10. September 2010 am Vereinsheim der Easyriders in Goldkronach aufkreuzten, um Norbert P. eine Abreibung zu verpassen. Er kritisiert die Strategie der Verteidiger, die da laute: Wenn sich Zeugenaussagen widersprechen, seien diese nichts wert. Dem hält Schwemmer entgegen: Sobald Zeugen übereinstimmende Aussagen machten, sei angeblich alles abgesprochen und erfunden.

„Den Angeklagten mag nicht nachweisbar sein, was sie getan haben“, sagt Schwemmer. „Aber es ist nachweisbar, dass sie etwas getan haben.“ Sollte also keine Verurteilung wegen versuchten Totschlags erfolgen, so zumindest doch ein Urteil wegen Landfriedensbruchs und „psychologischer Beihilfe“ zum Angriff auf Norbert P. Schwemmer sagt: „Einen Freispruch für diese Angeklagten halte ich für völlig falsch.“

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