Nürnberger möchte mit dem Versprechen von mehr Steuergerechtigkeit und einem einfacheren Steuersystem punkten. Warum dies nicht schon in den vergangenen vier Jahren unter SPD-Regierungsbeteiligungen geschehen sei, hakt Moderator Marcel Auermann nach. Nürnberger räumt ein: „Wir haben viele Projekte angestoßen, aber da hat es zu wenig Priorität gegeben.“ Dem eigentlich dafür zuständigen Amtsträger, Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, bescheinigt er einen hervorragenden Wahlkampf. „Er hat eben eine Partei, die hinter ihm steht.“ Diesen kleinen Seitenhieb auf Union und Grüne kann sich Nürnberger, der sich während der gesamten Diskussion auf die Darstellung eigener Ideen konzentriert, nicht verkneifen. „Nach jetzigen Umfragewerten haben wir tatsächlich die Chance, die Regierung zu bilden.“
Die Frage einer Regierungsbeteiligung stellt sich für niemanden in der Runde weniger als für AfD-Mann Tobias Matthias Peterka, Direktkandidat seiner Partei im Wahlkreis Bayreuth. „Wir sind die einzig wahre Opposition im Bundestag“, versucht er das Alleinstellungsmerkmal seiner Fraktion, der er seit vier Jahren angehört, zu beschreiben. Auch im übrigen Verlauf der Debatte gibt Peterka den Freigeist. Beispiel Corona: Die Bundesregierung habe die Pandemie panisch überbewertet und durch zwei Lockdowns überreagiert. Persönlich spürt er nun die Folgen: „Ich bin nicht geimpft, ich lasse mich testen. Und kommt 2G, dann werde ich ausgesperrt.“
Nach Äußerungen wie dieser wird es lautstark. Lisa Badum ist die einzige, die während der Debatte mehrfach höflich um Gehör fragt. „Darf ich was sagen?“ oder „Dazu will ich gerne was sagen“ kommt aus dem Mund der grünen Abgeordneten. Sie lässt die Männer im Raum teilweise ziemlich ungehobelt aussehen. Sie verlässt nach dem Schlagabtausch auch als Erste den Veranstaltungsort: Kramt ihre Utensilien rasch in den Jutebeutel und huscht zum Carsharing-Auto.
Zuvor wendet sich die Grüne auch direkt mit Fragen an die anderen Kandidaten, eben an Peterka: „Stimmt es, dass Mitglieder aus ihrer Partei lebensgefährlich an Corona erkrankt sind?“ Zu hören bekommt sie: „Ja, wir leugnen das auch nicht, aber es wurde typisch deutsch überreagiert.“
Doch noch lieber als mit der AfD duelliert sie sich mit der CSU. Die erste Spitze setzt sie bei der Elektrifizierung der Bahn: „Auf der Strecke Nürnberg – Marktredwitz fahren noch Dieselloks – das ist ein Beispiel, wie es nicht geht“, sagt sie. Die Deutsche Bahn könne elektrifizieren, doch „es hängt im Verkehrsministerium.“ Und das ist nun mal Unionsgebiet. Auch bei den Luftfiltern zeigt sie rhetorisch auf die Union – die hätte ihrer Meinung nach den Weg für die Luftfilter zu spät geebnet. „Schule beginnt nächste Woche“, erklärt Friedrich.
Thomas Hacker von der FDP bleibt die ganze Zeit eher unscheinbar, redet aber langatmig. Selbst seine Abgeordneten-Kollegen scheinen Mühe zu haben, ihm das durchgehen zu lassen – Klaus Ernst von den Linken unterbricht ihn mehr als einmal. Nur Hans-Peter Friedrich kuschelt gerne mit der FDP: Er nickt fleißig, wenn Hacker, der direkt neben ihm steht, spricht. Was Thomas Hacker will? Sich raushalten? Das könnte man aus seinen Aussagen lesen: „Jeder muss für sich selber entscheiden“, „Jeder macht, was er kann“ oder „Wir müssen mit Corona leben lernen.“ Beim Thema Steuern ist der FDP-Mann prägnanter. Das Projekt der vorgefertigten Steuererklärung ist gescheitert – sein Lösungsansatz bleibt vage. Aber:„Die technischen Voraussetzungen sind da.“
Ganz anders der Vertreter der Linken: Klaus Ernst ist angriffslustig – und diskutiert teilweise so leidenschaftlich, dass sich seine Stimme überschlägt. Die Akustik der leeren Halle kommt an ihre Grenzen. Inhaltlich bleibt er der Partei-Linie treu: Er will zum Beispiel die Patente des Corona-Impfstoffs freigeben – „Ich bin für geistiges Eigentum, aber nicht wenn der Profit über die Gesundheit geht.“ Oder aber beim Thema Mobilität: Die soll nämlich für alle attraktiver werden, findet er. Und anders wie die FDP will sich die Linke eben nicht raushalten: Es müssen politische Rahmenbedingungen her. Auch beim Thema Steuern kriegt er sich mit dem gegenüberstehenden FDP-Mann Hacker in die Wolle: „Wir müssen oben belasten und unten entlasten!“ Auf feurige Gegenwehr wartet er vergeblich.