Niedrigzinsen kosten Sparer Milliarden

Wer Geld auf einem Sparbuch anlegt, bekommt derzeit so gut wie gar keine Zinsen. Foto: Daniel Karmann/dpa Foto: red

Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank hat Folgen: Die Bürger verlieren Milliarden, die Finanzminister gewinnen. Deswegen wächst der Druck auf den Bund.

 
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Deutschlands Sparern gehen durch die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank alljährlich Milliarden Euro verloren. Denn allein die jährlichen Zinsgutschriften auf Spareinlagen sind von 2009 bis 2015 auf ein Drittel ihrer früheren Höhe geschrumpft - von 13,8 auf 4,4 Milliarden Euro, wie aus den in den Monatsberichten der Bundesbank veröffentlichten Zahlen hervorgeht.

Die großen Gewinner hingegen sind Bund und Länder: Die jährlichen Ausgaben von Bund, Ländern und Kommunen für die Schuldzinsen sind um einen zweistelligen Milliardenbetrag geschrumpft - allein der Bund zahlte 2015 fast 15 Milliarden Euro weniger Kreditzinsen als 2009, obwohl der Schuldenberg des Bundes in der Zwischenzeit auf etwa 1,3 Billionen Euro gewachsen ist, abzulesen aus den Haushaltszahlen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Die CSU verlangt Ausgleich: «Dieses Geld muss an die Menschen zurückgegeben werden», sagte Bayerns Finanzminister Markus Söder auf Anfrage. «Die Zeit ist reif für Steuerentlastungen. Wir wollen die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen um mindestens 10 Milliarden Euro entlasten.»

Die Sparkassen selbst pochen seit längerem auf eine Wiedergutmachungsaktion: Es wäre «mehr als gerechtfertigt, wenn insbesondere der Bund durch eine stärkere Unterstützung des Sparens einen Teil dieser Vorteile wieder an die benachteiligten Sparer zurückgäbe», sagte Georg Fahrenschon, der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV).

Ein weitere Idee: DZ-Bank-Chefvolkswirt Stefan Bielmeier hatte am Freitag einen staatlichen Altersvorsorgefonds angeregt, der aus den Zinsersparnissen der öffentlichen Hand finanziert werden soll.

Der Anlass dieser Forderungen: 2009 zahlte der Bund noch 38,1 Milliarden Euro Kreditzinsen an die Banken. Im vergangenen Jahr waren es laut Finanzbericht 2016 des Ministeriums lediglich 23,2 Milliarden - obwohl der Schuldenberg der Bundesregierung von über einer Billion Euro seitdem weiter gewachsen ist.

Wie sehr der Bund von der Nullzinspolitik profitiert, macht eine andere Rechnung noch sehr viel deutlicher: der Vergleich mit den ursprünglichen Befürchtungen im Hause Schäuble. So prophezeiten die Bundeshaushälter im Jahr 2011 für 2015 noch eine Zinsbelastung von 49 Milliarden Euro, nachzulesen unter anderem im damaligen Jahresbericht des Bundesrechnungshofs. Tatsächlich wurde dann weniger als die Hälfte dieser Summe fällig.

Für die Bürger wiederum sind die tatsächlichen Nullzins-Verluste weit höher als nur die verlorenen Zinsgutschriften auf dem Sparbuch. Nicht enthalten in den monatlich veröffentlichten Zahlen der Bundesbank zu den Spareinlagen sind die Verluste bei Bausparverträgen, Lebensversicherungen und anderen Kapitalanlagen.

«Die anhaltende Niedrigzinsphase bringt zunehmend die persönliche Lebensplanung von Millionen Bundesbürgern in Gefahr», kritisiert Sparkassenpräsident Fahrenschon. «Viele Menschen sehen es realistisch und gehen daher davon aus, dass sie wegen fehlender Zinserträge nicht mehr zum vorgesehenen Zeitpunkt in Rente gehen werden können.»

Ein Bundesland hat vergleichsweise wenig von der Nullzinspolitik: Bayern. Die Schulden der Staatsregierung sind mit knapp 30 Milliarden im Ländervergleich vergleichsweise niedrig, so dass dementsprechend auch die Zinsausgaben geringer ins Gewicht fallen als anderswo. Für kommendes Jahr sind im Stammhaushalt - ohne die Belastung durch die BayernLB - 419 Millionen Euro Zinsausgaben veranschlagt. «Den Rückgang der bayerischen Zinsausgaben verdanken wir nicht der EZB, sondern der massiven Schuldentilgung in den letzten Jahren», sagt Söder. Bis Ende 2018 will die Staatsregierung 4,6 Milliarden Euro alter Schulden abgezahlt haben.

dpa

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