Nicht jeder Schüler hat am heutigen Zeugnistag Grund zum Jubeln Direktoren mit Sitzenbleiber-Quote zufrieden

Heute gibt es Zeugnisse - nicht für jeden Schüler ein Grund zur Freude: Einige werden sitzenbleiben. Foto: dpa Foto: red

Sitzenbleiben ist mittlerweile ziemlich unpopulär, bei Schülern, Eltern - aber auch den Schulen. Der Sinn wird immer wieder bezweifelt. Durchfaller gibt es trotzdem, auch in Bayreuth. Die Leiter der Gymnasien sind aber zufrieden: Nur wenige Schüler müssen wiederholen. Und wenn das eigene Kind doch sitzenbleibt? Ein Beratungslehrer gibt Tipps.

 
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Seit mehr als zehn Jahren ist Günter Beck-Mathieu Beratungslehrer am Gymnasium Christian Ernestinum. Wie viele Schüler in dieser Zeit sitzengeblieben sind, weiß er nicht. Dass sie alle überlebt haben – und ihre Eltern auch – weiß er hingegen schon. „Niemand ist perfekt“, sagt Beck-Mathieu. Manchmal laufe eben alles blöd: Der Schüler ist unmotiviert, von der Pubertät gebeutelt, nichts klappt – Klassenziel nicht erreicht. „Das liegt selten an der Intelligenz“, sagt Beck-Mathieu. Eher an „entwicklungsbedingten Motivationsproblemen“. Oft würden Eltern und Schüler außerdem zu spät reagieren. „Nachhilfe zwei Wochen vor Notenschluss bringt nichts.“ Spätestens ab Weihnachten müssten die Problemfächer gezielt angegangen werden und Hilfe bei den Lehrern gesucht werden.

Obwohl die Zeugnisse heute verteilt werden, kann das Kultusministerium keine endgültigen Wiederholer-Zahlen nennen. Selbst wer zwei Fünfer oder eine Sechs im Zeugnis hat, oder noch schlechter ist, kann das Sitzenbleiben umgehen, sagt Julia Lindner, Sprecherin des Bayerischen Kultusministeriums. Durch eine Nachprüfung in den betroffenen Fächern im September. Oder wenn die Lehrerkonferenz der Meinung ist, der Schüler sei eigentlich doch geeignet für die nächste Stufe und darf auf Probe vorrücken. Passen die Noten bis zum 15. Dezember des Folgeschuljahres, darf er weitermachen – wenn nicht, muss er zurücktreten. 30 000 Schüler, schätzt der Bayerische Lehrerverband, sind heuer versetzungsgefährdet – wie genau der Verband das errechnet hat, weiß Lindner vom Kultusministerium nicht. Die Zahl orientiert sich wohl an den Vorjahren.

Die meisten Bayreuther Gymnasien wollen nicht verraten, wie viele ihrer Schüler sitzenbleiben. Zumal einige dieser Schüler ja noch die Möglichkeit haben, vorzurücken. Aber die Schulleiter sind sehr zufrieden: „Weniger als eine Hand voll“ bleibe am WWG sitzen, sagt Leiter Hans-Dieter Sippel. Am RWG würden es in den meisten Klassen alle schaffen, sagt Hans Sperber aus der Schulleitung. Im GMG waren es heuer wieder weniger Durchfaller als im Jahr davor, keine 20, sagt Schulleiter Leibold. „Verschwindend wenige“ seien es am MWG, sagt Leiterin Elisabeth Götz. Sie ist sowieso kein großer Fan des Sitzenbleibens: „Wegen zwei schlechten Noten das ganze Schuljahr wiederholen? Klingt das logisch?“ Auch Maria Lampl, Kreisvorsitzende des Bayerischen Elternverband, bezweifelt den Sinn des Wiederholen: „Es bringt wenig und kostet nur sehr viel.“ Viele Schulen sehen das genauso und nutzen daher die Möglichkeit des Probe-Vorrückens, wenn irgendwie möglich.

Was tun, wenn mein Kind durchfällt?

Immer wieder hat Beratungslehrer Günter Beck-Mathieu mit Eltern zu tun, deren Kind die Klasse eventuell nicht schafft. Das rät der Experte:

> Kein Liebesentzug! „Das Schlimmste ist, richtig sauer zu sein und seinem Kind das Gefühl zu geben, man liebt es nicht mehr so sehr.“ Das Sitzen-bleiben belaste das Kind schon genug, egal wie cool es sich gibt.

> Urlaub machen. In den Sommerferien sofort mit Nachhilfe weitermachen? „Keine Gute Idee.“ Lieber schöne Sachen unternehmen, wegfahren, an einer positiven Eltern-Kind-Beziehung arbeiten.

> Die Schule sollte nicht der Mittelpunkt sein. Immer sind nur Schule und Noten Gesprächsthema in der Familie? „Kein Wunder, dass sich das Kind nicht motivieren kann und dichtmacht“, sagt Beck-Mathieu. Es gibt neben Schule auch noch andere wichtige Sachen.

> An einem Strang ziehen. Eltern, Kind, aber auch Lehrer, müssen zusammenarbeiten. Und eventuell überlegen: Ist die Schulart wirklich für mein Kind geeignet?

> Das wichtigste: Ruhig bleiben! „Einmal durchfallen ist doch eigentlich wirklich nicht so schlimm.“

Außerdem: Das Kind ist in guter Gesellschaft. Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber , Entertainer Harald Schmidt und Komponist Richard Wagner sind sitzengeblieben – wie viele weitere. Und auch aus ihnen ist etwas geworden.

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