Zwischen Austernfischern und Regenpfeifern, Dünen, Sandbänken und Wattenmeer, umtost vom heftigen Nordseewind, entfaltet sich auf den Romanseiten die kleine Welt des Jungen. Männer im jungen oder mittleren Alter gibt es nicht auf der Insel, die Lebensmittel sind knapp. Doch Nanning und sein bester Freund Hermann machen sich ein Spiel und einen Spaß daraus, der kargen Natur Nahrung abzutrotzen. Sie jagen Kaninchen, treten Schollen und tauschen ihre Beute gegen das Notwendigste. Und bekämpfen missgünstige Altersgenossen. Bis die Nachricht vom Tod Hitlers die Inselgemeinde erreicht und die Gewissheit alter Ordnungen endgültig ins Wanken bringt. Der Vater kehrt zwar zurück, wird allerdings bald darauf von den Engländern verhaftet. Und Nanning muss sich entscheiden, welchen Weg in die Zukunft er einschlagen will.
Das Coming-of-Age-Geschehen mit Inselflair und Zeitkolorit schildern Bohm und Winkler voller spürbarer spröder Liebe in betont einfachen Sätzen. Dabei entstehen quasi kleine Skizzen. Wer sie liest, dem geraten sie leicht wie Filmsequenzen vor Augen - man darf also extra gespannt sein auf das Kino-Werk Akins.
Bohm pocht auf richtige Geschichten mit richtigen Charakteren
Wie in all seinen Drehbüchern und Filmen pocht auch der Romancier Bohm Zeitgeist-Tendenzen zum Trotz auf eine richtige Geschichte mit richtigen Charakteren. "Schon auf Amrum nannte man mich "de Snacker"", hatte sich Bohm angesichts seiner Fabulierlust bereits 2019 im Interview der Deutschen Presse-Agentur erinnert. Seine Mutter war während des Krieges mit ihm zurück auf ihre Heimatinsel gezogen, um Schutz vor den Bomben zu suchen. Dort brachte sie auch seine drei Geschwister zur Welt.
"Das war die Gegenwelt zu dem, wo wir uns hier gerade aufhalten", beschrieb Bohm der dpa die Verhältnisse, "in gewissem Sinne waren dort alle Leute gleich. Wir hatten Schafe, Ziegen und Hühner. Was man sich im Stall hielt und was man im Garten anbaute war auch das, was man aß. Im Hungerwinter 1947 gab es gefrorene Kartoffeln. Wir Kinder waren meist draußen und mussten arbeiten. Wir haben am Strand Holz gesammelt, Heidelbeeren gepflückt, Nester von Möwen und Kiebitzen geplündert, Kaninchenfallen aufgestellt." Weltoffenheit und den Hang, etwas aus sich zu machen, beispielsweise Kapitän zu werden, habe es auf Amrum aber auch gegeben.
Die von ihm geliebte Inselwelt hat der Autor nicht nur in Gedanken, sondern in seinem lässig stilvoll eingerichteten Hamburger Heim auch ganz buchstäblich vor Augen. Denn an den Wänden des Hauses, das er mit seiner zweiten Frau Natalia Bowakow teilt, hängen Ölporträts seiner Ahnen aus einer Amrumer Bauern- und Kapitänsdynastie. Die Bohm für Besucher gern liebevoll kommentiert. "Die Familie ist für uns der zentrale Wert", sagte er dabei. Also auch sie ist wohl für den Künstler ein Stück Heimat.