Als Beispiel für solch „undankbare“ Nutznießer nennt Blumenstein den wärmeliebenden Pilz Diplodia sapinea, der sich seit fünf bis zehn Jahren wegen des Klimawandels zunehmend in Mitteleuropa ausbreitet und Kiefern angreift, wenn sie durch Hitze oder Wassermangel bereits geschädigt sind. Eine Folge zeige sich auch im Waldzustandsbericht der Bundesregierung. Dessen Daten zufolge ist der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen bei Kiefern innerhalb eines Jahres von 25 auf 28 Prozent im Jahr 2022 gestiegen.
Den Baumpatienten geht es seit Jahrzehnten immer schlechter
Blumensteins Patienten geht es seit Jahrzehnten immer schlechter. Laut dem Bericht sind vier von fünf Bäumen krank. Gemessen wird die Dichte der Baumkronen als Indikator für die Vitalität der Bäume. Die mittlere Kronenverlichtung sei im Durchschnitt aller Baumarten von 26,7 Prozent auf 25,9 Prozent zwar geringfügig gesunken. Aber mit 6,7 Prozent sei ein Höchststand bei der Ausscheiderate erreicht worden, also dem Anteil der Bäume, die seit der letzten Erhebung abgestorben sind.
Deutschland hinkt nach Ansicht von Blumenstein bei der Erforschung dieser Phänomene hinterher. Skandinavien etwa sei da schon viel weiter, auch weil es wirtschaftlich stärker auf die Wälder angewiesen sei. Deshalb sei es ihr nach dem Studium in Kassel möglich gewesen, in Schweden in der Erkrankungslehre für Bäume zu promovieren. Nach einer parallelen Promotion in Wales und Forschungstätigkeit in Göttingen erhielt sie 2022 den Ruf aus Freiburg.
Blumenstein fordert mehr Forschungsmittel
Kürzlich wurde die dreifache Mutter in das Margarete-von-Wrangell-Programm des Landes Baden-Württemberg aufgenommen. Damit kann sie für drei Jahre eine frisch promovierte Wissenschaftlerin beschäftigen, um so das eigene Forschungsprofil zu schärfen. Die Nachwuchswissenschaftlerin erhält eine Vollzeitbeschäftigung und weitere Karrieremöglichkeiten. Blumenstein fordert mehr Forschungsmittel: „Nur, wenn wir besser verstehen, was in unseren Bäumen genau passiert, können wir ihnen in Zukunft besser helfen.“
Für die Freiburgerin ist die internationale Vernetzung der Baumpathologen wichtig, um schneller wichtige Informationen auszutauschen. Denn durch molekulargenetische Biomarker kann man nachverfolgen, woher ein Pilz kommt, wo er sich ausbreitet und prognostizieren, wohin er wohl weiter zieht. So können sich Regionen auf die ungebetenen Gäste einstellen und resilientere Bäume pflanzen. Dazu eignen sich sogenannte Hybride, also Kreuzungen etwa von Esche oder Ulme mit importierten Bäumen. Blumenstein: „Wir werden uns von einigen einheimischen Baumarten verabschieden müssen und uns danach richten, welche Baumarten in 50 Jahren bei wärmerem Klima und neuen invasiven Arten noch vital bleiben“.
Baumgesundheit ist auch in Städten zunehmend ein Thema
Das Thema Baumgesundheit ist auch in Städten zunehmend relevant. Bäume binden Schadstoffe, spenden Schatten und sind Lebensräume für Vögel und Insekten. Kranke Bäume hingegen bergen Gefahren für den Verkehr und müssen gelegentlich weichen. Beispiel Mannheim: Nach einem Sturm Mitte April meldete die Stadt 30 beschädigte Bäume in ihren Parks und 5 nicht mehr zu rettende Exemplare.
Oft ist der Grund von Baumfällungen nicht so augenfällig. „Da die Zersetzung äußerlich erst spät zu sehen ist, ist die Kritik am Fällen vermeintlich gesunder Bäumen groß“, heißt es beim Deutschen Städte- und Gemeindebund. Die Kommunen seien aber bei diesem Thema sehr sensibilisiert und informierten in der Regel umfassend über die Notwendigkeiten, sei es über amtliche Mitteilungen oder Veranstaltungen mit Sachverständigen“, sagt Referatsleiterin Kommunalwald bei dem Verband, Ute Kreienmeier. Sie fügt hinzu: „Heute legt keiner mehr die Axt an einen Baum, ohne dafür gute Gründe zu haben.“