Mutmacherin für Migranten führt SPD

Von Peter Rauscher
"Ich liebe Bad Berneck", sagt die neue SPD-Ortsvorsitzende Zuhal Giray. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Frau, türkischstämmig, Muslimin: Unter den Ortsvorsitzenden der SPD sticht Zuhal Giray mit dieser Merkmalskombination heraus. Die 39-Jährige führt seit wenigen Wochen die rund 50 Mitglieder starke SPD in Bad Berneck und will für frischen Wind sorgen. Zunächst in der Partei, ab 2020 möglichst auch im Stadtrat.

 
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Zuhal Giray ist nicht die einzige, aber eine von ganz wenigen türkischstämmigen SPD-Ortsvorsitzenden in Bayern, teilt die Münchner Parteizentrale mit. Das Interesse für Politik hat sie quasi mit der Muttermilch eingesogen: „Mein Großvater war sehr stark politisch engagiert, wollte Bürgermeister für die sozialdemokratische CHP in der Türkei werden. In unserer Familie wurde immer sehr viel über Politik gesprochen. Schon mit zwölf Jahren habe ich mich auch für politische Nachrichten aus Deutschland interessiert“, sagt sie dem Kurier. Ein Politik-Fernstudium habe sie abgebrochen, als sie Kinder bekam.

Familiäre Wurzeln

Dass sie sich für die SPD engagiert, hat einerseits mit diesen familiären Wurzeln zu tun. Als Zuhal Girays Eltern in den siebziger Jahren nach Deutschland und nach Bad Berneck kamen, seien sie von der damaligen sozialdemokratisch geführten Bundesregierung gut aufgenommen worden. Die SPD habe sich für die Interessen der Gastarbeiter eingesetzt, sagt sie.

Empfehlung vom Vorgänger

Der Partei beigetreten sei sie aber erst vor zwei Jahren, nachdem der damalige SPD-Ortsvorsitzende Udo Sauerstein und der türkischstämmige SPD-Stadtrat Taner Ekici sie dazu ermutigt hätten. Sauerstein fragte Giray in diesem Jahr auch, ob sie seine Nachfolgerin im SPD-Ortsvorsitz werden wolle. „Sie ist eine dynamische junge Frau, politisch sehr interessiert und wird dem Ortsverband gut tun“, sagt Sauerstein, der das Amt Ende April nach zehn Jahren niedergelegt hatte und Fraktionsvorsitzender im Stadtrat bleibt. Einstimmig sei sie im Vorstand gewählt worden.

Zur Geburt in die Türkei

Für den frischen Wind, den sich Sauerstein erhofft, will sie sorgen. „Ich möchte mehr Frauen und mehr junge Leute für die Stadt und für die SPD gewinnen“, sagt sie. Und Menschen mit Migrationshintergrund wie sie selbst sollten sich mehr trauen, sich mehr in die Gemeinschaft einbringen. Sie selber sagt, sie sei stolz auf ihre türkischen Wurzeln, liebe aber Bad Berneck. Hier lebt Zuhal Giray  fast seit ihrer Geburt. Ihre Mutter flog vor 39 Jahren noch in die Türkei, als Zuhal geboren wurde. „Es war meiner Mama wichtig, dass sie bei meiner Geburt bei ihrer eigenen Mutter zuhause ist.“

Nicht in zwei Identitäten leben

Zuhal Girays Zuhause ist Bad Berneck, wo nach dem Tod ihres Vaters auch die Mutter wohnen blieb. Hierher kam sie als Baby, ging zur Schule, lernte pharmazeutisch-kaufmännische  Assistentin in der Stern-Apotheke, wo sie seit 23 Jahren arbeitet. Und hier lebt sie nach ihrer Scheidung mit den zwei Kindern. Mit 18 Jahren habe sie sich entschieden, Deutsche zu werden und die türkische Staatsbürgerschaft abzugeben. Sie sagt: „Man kann nicht in zwei Identitäten leben.“

Sorge nach Solingen

Nie sei sie wegen ihrer türkischen Wurzeln oder wegen ihres muslimischen Glaubens schief angesehen worden. Allerdings erinnert sie sich: Nach dem Brandanschlag Rechtsextremer in Solingen, bei dem vor 25 Jahren fünf Menschen mit türkischer Abstammung ums Leben gekommen waren, habe man sich in der Familie und bei türkischen Bekannten besorgt gefragt, ob die Hasswelle auch in Kleinstädte wie Bad Berneck kommen könnte.

Den Glauben missbraucht

Traurig sei sie, wie islamistische Terroristen den Glauben missbrauchten. „Der Islam, wie ich in gelernt habe, ist eine freie Religion.“ Kein wahrer Islamgläubiger würde jemals jemand anders töten, sagt sie. Dass der Islam nun häufig mit Terror gleichgesetzt werde, sei grundfalsch. Auch die Menschenrechtsverletzungen des türkischen Präsidenten Erdogan heißt sie nicht gut. Sie sei kein Fan von ihm, sagt sie, möchte  sich aber am liebsten aus türkischer Politik heraushalten. Zuhal Giray will nun Kommunalpolitik lernen, 2020 für den Stadtrat kandidieren. Da gibt es andere wichtige Themen.

Familienfest  auf der Kippe

Das deutsch-türkische Familienfest in Bad Berneck  steht auf der Kippe.  Fünf Jahre hintereinander wurde es jeweils im Juni in der Kurstadt gefeiert, letztes Jahr fiel es aus, auch vor dem Hintergrund der verschlechterten deutsch-türkischen Beziehungen. In diesem Jahr wird es wieder nicht zum gewohnten Zeitpunkt stattfinden, es werde aber versucht, das landkreisweit einmalige Ereignis nach den Sommerferien nachzuholen, sagte Bürgermeister Jürgen Zinnert auf Kurier-Anfrage. Der politische Hintergrund habe in der Diskussion dieses Mal keine Rolle gespielt. Es seien einfach nicht genug Helfer gefunden worden, um das große türkische Buffett  auf dem Sportplatz zu bestücken. Zuletzt habe die Veranstaltung rund 1000 Besucher angelockt, die sich umsonst an diesem Buffett bedienen konnten. Erwogen werde nun, das Fest nur noch alle zwei Jahre abwechselnd mit dem Burgenfest zu veranstalten und statt des Gratis-Buffetts  türkisches Essen zu verkaufen.

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