Mit seltenen Fahrzeugen gehen Forscher der untypisch hohen Erdwärme in der Region auf den Grund Seismik: Sie kommen, um zu rütteln

Von Thorsten Gütling

In der Region wird es nächstes Jahr vibrieren. Dass die Erdschichten unter Ober- und Unterfranken wegen einer bei Bad Staffelstein entdeckten Anomalie untersucht werden, hat ein Sprecher der Universität Nürnberg-Erlangen im Kurier bestätigt. Jetzt erklärt der Projektleiter, wie das vor sich gehen soll.

 
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Noch ist nicht klar, wer die Erde vibrieren lassen wird. Der Auftrag ist europaweit ausgeschrieben. Wahrscheinlich ist aber, dass eine Firma den Zuschlag erhält, die international erfahren ist. Beispielsweise bei der Suche nach Erdöl. Denn für die Untersuchungen, die in Ober- und Unterfranken geplant sind, werden ganz bestimmte Fahrzeuge benötigt. Wie Baustellenfahrzeuge sollen sie aussehen, sagt Wolfgang Bauer, der Leiter Forschungsgruppe Geothermie an der Uni Erlangen, nur grau statt gelb sollen sie sein. Dazu mit einer Rüttelplatte ausgestattet, die aber anders funktioniert als solche, mit denen normalerweise auf Baustellen die Erde verdichtet wird. Der Ton, der dabei erzeugt werde, sei durch die niedrigere Frequenz weniger dumpf, sagt Bauer. Nur wer direkt neben der Rüttelplatte steht, soll ein Kribbeln in den Füßen spüren können.

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Wenn sie in einem Ort eintreffen, werden mehrere hintereinander geparkte Fahrzeuge den Boden an mehreren Stellen für jeweils 20 Sekunden in Schwingung versetzen. Die Wellen dringen dann mit einer Geschwindigkeit von 5000 Metern pro Sekunde mehrere tausend Meter in den Boden vor und werden von den unterschiedlichen Schichten im Boden reflektiert. In der Umgebung der Messung aufgestellte Mikrofone nehmen auf, in welchem Winkel, wie schnell und wo die Signale aus dem Boden zurückkommen. Am Ende wollen die Forscher eine Erklärung dafür finden, warum die Temperatur der Erde in der Region bei früheren Bohrungen nach Erdgas und Thermalwasser um mehr als die üblichen drei Grad pro hundert Meter Tiefe gestiegen ist.

Drei mögliche Erklärungen

Möglich sind laut Projektleiter Bauer bislang drei Erklärungen. Erstens: Es könnte einen Bruch im Boden geben, durch den heißes Wasser aufsteigt. Es vor wenigen Jahren war man im Großraum München auf diesem Weg auf große Mengen Thermalwasser gestoßen und begann daraufhin energiefreundliche Wärmepumpen zu bauen. Eine zweite Möglichkeit: eine bislang nicht bekannte Fortsetzung des sogenannten Egergrabens. Eines Grabens, aus dem früher große Mengen Magma aufgestiegen sein sollen. Und drittens könnte es sein, dass sich im Boden radioaktive und deshalb Wärme produzierende Granite befinden, wie im Fichtelgebirge auch. Was kein Grund zur Beunruhigung wäre, sagt Bauer. Strahlendes Thorium und Uran sind schließlich typisch für Mittelgebirge.

Vorsicht bei alten Häusern und Kanälen

Mitbekommen sollen die Bürger von den Untersuchungen möglichst wenig. In der Pfalz, wo sogenannte Seismikfahrzeuge zuletzt im Einsatz waren, habe es keinerlei Beeinträchtigungen des Verkehrs gegeben. Damit das so bleibt, dürfen die in den Boden gesendeten Wellen natürlich nichts kaputt machen.

In der Nähe sensibler Häuser soll daher nicht gerüttelt werden, ebenso nicht direkt über Rohren und Kanalleitungen. Um deren Verlauf vorab zu erfahren, werden die Gemeinden, in denen gemessen werden soll, noch einmal angeschrieben. Das erste Schreiben, das an rund 170 in Nordbayern ging und im Kreistag vergangene Woche für Verunsicherung sorgte, weil von der Übertragung der Daten an die Bundesanstalt zur Suche eines atomaren Endlagers die Rede war, habe nur einer ersten Information gedient, sagt Bauer. Nur in etwa jeder vierten Gemeinde wollen die Forscher tatsächlich vorstellig werden.

Ein unerschlossenes Potenzial?

Die Daten, die die Wissenschaftler der Uni Erlangen nach einer Auswertung aufhorchen ließen, liegen teilweise seit Jahrzehnten vor. Die Besonderheit, dass sich die Erde in der Tiefe schneller erwärmt als üblich, ist Forschern zum ersten Mal 20 Kilometer nordwestlich von Bamberg, in Mürsbach bei Rattelsdorf, aufgefallen. Aber erst nach einer Auswertung der Uni Erlangen ist von einem „fränkischen Hotspot“ in dem Dreieck Hassfurt, Bamberg, Obernsees und Coburg die Rede. Die Untersuchungen sollen nicht nur Erkenntnisse darüber liefern, warum das so ist, sondern ob der Boden auch über dieses Dreieck hinaus mehr Energie bereit hält, als ursprünglich gedacht. Ob in der Region am Ende also ein unerschlossenes Potenzial zur Wärmegewinnung schlummert.

Daten für die Endlagersuche

Dass die Ergebnisse, wenn sie denn angefragt werden, an die Bundesanstalt zur Suche eines atomaren Endlagers übermittelt werden müssen, stehe nicht zufällig in dem Schreiben, das den Bürgermistern vergangene Woche zuging. Die Uni sei vielmehr nach dem „Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle“, kurz StandAG, dazu verpflichtet – so die Daten denn angefragt werden. Projektleiter Bauer sagt: „Wir sind davon auch nicht besonders begeistert. Und wenn wir nicht gefragt werden, übermitteln wir auch nichts.“

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