Mit Bio durch die Milch-Krise?

Wie riecht eigentlich die Kamera des Fotografen? Foto: Nicolas Armer/dpa Foto: red

Der Liter Milch ist billiger als ein Liter Mineralwasser, Petitionen der Bauern, Krisentreffen der Länder-Agrarminister: Die Milchkrise mit 19 Cent pro Liter beutelt die Bauern. Hilft die Umstellung auf Bio? Für grün produzierte Milch erhält der Produzent bis zu 57 Cent pro Liter. Ein Experte sagt: Ja, Bio ist die Lösung - aber nicht für alle.

 
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Richard Harrer (54) ist Diplom-Agraringenieur aus Hersbruck. Er berät für den Dienstleister BBA (Baubetreuung Agrar) Landwirte in Franken und der Oberpfalz, die ihre Betriebe ökologisch ausrichten wollen.

Kurier:Ist die Umstellung auf Bio die Lösung für alle Bauern?

Richard Harrer: Für alle sicherlich nicht. Dies würde bei gegebener Nachfrage wieder zu einer Überproduktion bei Biomilch führen. Dann kommen diese irgendwann in eine ähnliche Krise.

Ist diese Krise denn nicht hausgemacht? Wird Lidl, Aldi, Rewe und Edeka der Schwarze Peter zugeschoben, wenn die Bauern ihre Produktion nicht der Nachfrage anpassen?

Harrer: Das ist richtig. Die Diskounter sind nicht alleine schuld. Aber es ist auch eine ethische Frage, ob ich die Situation der Bauern ausnutze. Müssen die vier ihre Marktmacht ausnutzen? Mit dem niedrigen Lebensmittel-Preisangebot in diesen Märkten werden die Kunden gelockt, um dort Nichtlebensmittel wie Turnhosen oder Gartenliegen zu kaufen.

Die Politik dieser Supermärkte ist das eine. Das andere ist die Nachfrage.

Harrer: Wenn sich die Wirtschaft in China wieder stärkt und das Embargo gegen Russland …

….zwei der Exportländer für deutsche Milch, die eingebrochen sind….

Harrer: …aufgehoben wird, wird die Nachfrage wieder höher. Im Übrigen ist das Problem mit Nachfrage und Angebot kein rein deutsches: Irland und den USA geht es genauso. Die Iren drücken massiv auf den Markt und das mit absoluten Dumping-Preisen.

Deutschland sitzt auf einem Überschuss an konventioneller Milch, führt aber Bio- und Weidemilch aus Dänemark, Österreich oder den Niederlanden ein. Wie passt das zusammen?

Harrer: Weil das Angebot an Bio-Milch aus Deutschland momentan noch zu niedrig ist.

Sie helfen Bauern bei der Umstellung auf Bio. Was müssen die denn mitbringen, um als Bio-Hof zu gelten?

Harrer: Es gibt bestimmte bauliche Vorgaben. Zu allererst ist da der Platzbedarf, der höher ist als auf konventionellen Bauernhöfen. Es geht um das Fress-Liegeplatz-Verhältnis im Stall und auch um entsprechende Ausläufe oder Weide. Da liegt oft das größte Problem, wenn Bauern umstellen wollen: Gerade in Franken ist rund um die Höfe zu wenig Platz, um den benötigten Auslauf zu gewährleisten. Dazu kommt, dass die Bauern einen erhöhten Flächenbedarf für die Futterproduktion haben.

Stichwort Futter: Erst muss die Kuh eine Zeitlang mit Bio-Futter gefüttert worden sein, bis der Bauer sein Bio-Zertifikat erhält.

Harrer: Ja. Und der Pflanzenschutz wird sehr restriktiv behandelt, es gibt keinen chemischen Pflanzenschutz und keine mineralische Düngung. Das heißt, dass der Bauer mehr maschinell machen muss. Statt mit chemischer Keule arbeitet er mit Striegel und Hacke, um das Unkraut…

…Unkraut?

Harrer: Ach ja, wir sagen ja jetzt nicht mehr Unkraut, sondern Wildkraut! Also um das Wildkraut zu entfernen. Das ist ein immenser Aufwand.

Was verdient ein Bauer heutzutage?

Harrer: Wenn man es umrechnet, sind es momentan vielleicht fünf Euro in der Stunde. Dann habe ich aber schon einen richtig guten Bauern.

Wie soll man damit überleben?

Harrer: Die Bauern gehen ans Vermögen, an Rücklagen, an die Substanz. In Familienbetrieben wird bis zum Umfallen geackert, der Gürtel enger geschnallt.

Wenn diese Bauern nun auf Bio umstellen wollen, dann kostet das auch.

Harrer: Ja. Bei größeren Betrieben mit rund 130 Kühen braucht man knapp 90 000 Euro.

Aber es gibt doch Zuschüsse, oder?

Harrer: Schon. Es gibt die Umstellungsprämie von 200 Euro je Hektar, aber die reicht nicht aus. Der Bauer muss zunächst Geld mitbringen. Wenn der Landwirt keinen Stall mehr bauen muss und der Auslauf stimmt, kommt ein normaler Betrieb mit 40 000 Euro hin.

Wenn der Stall steht, der Auslauf stimmt, dann muss der Bauer noch warten, bis er ökozertifiziert ist.

Harrer: Ja, die Umstellungsphase dauert in der Tierhaltung bis zu eineinhalb Jahren. Bis dahin hat der Bauer höhere Ausgaben, beispielsweise für das Kraftfutter, er bekommt aber nur den Preis für die herkömmliche Milch.

Lohnt sich das denn?

Harrer: Definitiv. Ich hatte jetzt einen Landwirt, der immer Probleme mit seinem herkömmlichen Milchviehbetrieb hatte. Auf seinem Konto sah es immer mau aus. 2014 habe ich ihm geholfen, seinen 180 Hektar großen Betrieb umzustellen. Jetzt hat er seinen Gewinn verdoppelt, das Konto ist in Ordnung.

Was ist Ihre Prognose, wie es mit der Milchkrise weitergeht?

Harrer: Eine Quote wird es sicherlich nicht mehr geben. Vielleicht kommt es zu einer Eigenregulierung.

Das würde bedeuten, dass die Bauern von sich aus weniger produzieren. Glauben Sie das wirklich?

Harrer: Nun ja. Ich bin schon länger im Geschäft und glaube, dass dabei die meisten Bauern nicht mitziehen würden. Oft ist sich jeder selbst der nächste. Aber vielleicht muss sich jetzt auch ein Strukturwandel vollziehen, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb nur noch ab einer gewissen Größe und den entsprechenden Faktorvoraussetzungen überleben kann.

Der Verbraucher motzt oft genug über die Bauern und die vermeintlich hohen Subventionen, die diese erhalten.

Harrer: Das ist eine Mär mit den hohen Subventionen. Es gibt keine Subvention ohne Auflagen. Beispielsweise haben wir EU-weit die strengsten Pflanzenschutzauflagen, dazu kommen häufig höhere Wasserschutzauflagen oder auch bauliche Auflagen. Dies sollte der Bürger auch honorieren. Es werden im Endeffekt die Verbraucher quersubventioniert. Durch die Subventionen wird es dem Verbraucher möglich gemacht, dass er in Deutschland die billigsten Lebensmittel im Verhältnis zum Einkommen weltweit einkaufen kann. Und auch das ist eine ethische Frage, ob wir Verbraucher da weiter mitmachen sollten. Wenn der Liter Mineralwasser mehr kostet als der Liter Milch, dann hört es für mich auf – das darf nicht sein.⋌Das Gespräch führte Susanne Will

Hintergrund: Noch kein Zuwachs beim Schlachthof

Dass der tiefe Milchpreis manchen Bauern so zu schaffen macht, dass sie die Milchwirtschaft aufgeben, merkt der Bayreuther Schlachthof nicht. „Die Schlachtzahlen der vergangenen zwei Wochen liegen total im Durchschnitt“, sagt Frank Kimmer, Pressesprecher der Müller-Gruppe, die seit 2010 alleiniger Betreiber des Bayreuther Schlachthofs ist.

1200 Rinder werden im Schnitt pro Woche in Bayreuth geschlachtet. Daran hat sich auch seit dem Tiefflug des Milchpreises nichts geändert. „Wir sind darüber froh, weil die Inlandsnachfrage nach Schwein und Rind derzeit nicht prickelnd ist“, sagt Kimmer. Suppenfleisch und Braten gingen generell eher im Winter. Als Grillfleisch sei Rind nicht gefragt, sondern vor allem Schweinefleisch. „Aber auch das ist derzeit wegen der nassen Witterung schwierig.“

Würde das Angebot wegen Milchbauern, die aufgeben, noch größer, würde der Fleischpreise noch weiter sinken. Der ist je nach Kategorie unterschiedlich. Für einen Jungbullen liege der Einkaufspreis seit zwei bis drei Wochen bei 3,50 Euro pro Kilogramm. Auf die Waage kommt das geschlachtete Tier ohne Fell und Kopf. Eine Milchkuh erziele etwa 2,60 Euro pro Kilogramm. Passen Alter und Bemuskelung, kann das Tier durchaus Jungbullen-Preise erzielen. Ähnlich unverändert ist die Situation am städtischen Schlachthof in Kulmbach. Die Anzahl der Kuhschlachtungen an der gesamten Rinderschlachtung sei mit etwa 15 Prozent sehr gering und komme fast zur Hälfte aus dem Bio-Bereich, sagt Pressesprecher Tobias Günther (woj)

 

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