Mit dem neuen Konzept reagierten die „Miss Germany“-Veranstalter auf die Kritik, der seit 1927 ausgetragene Wettbewerb sei nicht mehr zeitgemäß und stehe für ein antiquiertes Frauenbild. „Für uns ist heute die Ausstrahlung ausschlaggebend“, sagt Max Klemmer, der seit 2017 gemeinsam mit seinem Vater die „Miss Germany“-Geschäfte führt.
Mit seinem Großvater, der zuvor das Ruder in der Hand hatte, habe er ringen müssen, damit die klassische Miss-Wahl von einst sich neu aufstellen konnte. „Das war auch ein familiärer Kampf zwischen den Generationen.“ Jetzt arbeiteten aber alle zusammen. „Ich hoffe, dass es nicht als Marketinggag wahrgenommen wird.“
Diversität bei den Teilnehmerinnen
Heute gibt es keine Knigge-Trainings mehr. Die Frauen müssen nicht mehr vor einer männlich dominierten Jury schaulaufen, und auch Mütter dürfen teilnehmen. Insgesamt scheint man auf ein möglichst diverses Teilnehmerinnen-Feld Wert zu legen: In die Endauswahl geschafft haben es in diesem Jahr etwa eine Doktorandin mit künstlichem Darmausgang, eine Zeugen-Jehovas-Aussteigerin, eine alleinerziehende Mutter und ein Opfer von sexueller Gewalt. Eine Teilnehmerin, die „Miss Hamburg“, setzt sich gegen die Diskriminierung dicker Menschen ein.
Doch was bringt solchen Frauen der Titel „Miss Germany“? Ein Preisgeld gibt es schon einmal nicht zu gewinnen. Dafür winkten den Gewinnerinnen zum Beispiel Auftritte bei Podiumsdiskussionen und andere Aufträge, die auch Geld einbringen könnten - aber eben nicht die klischeehafte Autohaus-Eröffnung von früher, wie Klemmer betont. Einnahmen im sechsstelligen Euro-Bereich könnten dabei herumkommen. In diesem Jahr soll die Siegerin auch an der Entstehung einer Sonderausgabe des Magazins „Cosmopolitan“ mitwirken dürfen.
Die „Miss Germany“ als Botschafterin
Marcel Matischok, Karriereberater aus Stuttgart, sieht neue Möglichkeiten für die Trägerin des „Miss Germany“-Titels. „Ich könnte mir vorstellen, dass die Siegerin heute weniger repräsentiert als vielmehr aktiv präsentiert - zum Beispiel Gruppen, die in unserer Gesellschaft bislang kaum präsent waren.“ Damit könnte sie der jeweiligen Gruppe als Botschafterin mehr Gewicht verleihen und beruflich mit der Sichtbarkeit der Gruppe mitwachsen. Das hänge aber davon ab, wie die Siegerin ihren Titel, ihre beruflichen Qualifikationen und Talente miteinander verbinde.
Von Hase erzählt, sie habe einige Jahres-Abos etwa von Kosmetik- und Schuhfirmen bekommen. Ihr sei ein Auto zur Verfügung gestellt worden. „Der Hauptgewinn war aber ein Management-Vertrag.“ Dadurch sei sie in den Genuss einer Eins-zu-eins-Betreuung gekommen, eine „rechte Hand“ habe ihr bei der Umsetzung von Ideen geholfen. „Das hätte ich gern forever.“