Michael Eckstein, seit elf Jahren Vorsitzender der 1. Strafkammer in Bayreuth, leitet das Wiederaufnahmeverfahren im Fall Peggy Das Porträt: Ulvis Richter

Von Manfred Scherer
Michael Eckstein, Vorsitzender Richter der Großen Strafkammer des Landgerichts Bayreuth. Er leitet den Wideraufnahmeprozess im Fall Peggy gegen den Angeklagten Ulvi K.; Archivbild: Scherer Foto: red

Sein wichtigstes Instrument, eine Gerichtsverhandlung zu führen, ist seine Stimme. Michael Eckstein, seit Juni 2003 Vorsitzender der 1. Strafkammer des Landgerichts Bayreuth, braucht kein Mikrofon. Seine Stimme verschafft ihm Aufmerksamkeit, diese Stimme führt die Zuhörer. Wie Michael Eckstein seine Stimme einsetzt – daran kann man erkennen, ob eine bestimmte Situation in einem Prozess wichtig oder entscheidend ist. Ganz besonders laut ist Ecksteins Stimme, wenn er leise spricht.

 
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Es gibt ganz wenige Kritiker, die fragen: „Hört er sich gerne reden?“ Solche Kritiker müssen wissen: Seine Stimmgewalt dient dem am 23. Mai 1953 in Bamberg geborenen Juristen für den Weitertransport seiner Haltung. Der fünffache Vater ist keiner, der seine Person hinter Gesetzbüchern versteckt. Er propagiert beispielsweise Öffentlichkeit – Medienvertreter schließt er nur in wenigen Sonderfällen von Gerichtsverhandlungen aus. Eckstein mag auch keine Prozessabsprachen im Hinterzimmer, und wenn er doch einmal in einem Prozess einen „Deal“ abschließt, dann erläutert er in öffentlicher Verhandlung, wie dieser „Deal“ aussieht und warum es dazu kam. „Ich spiele immer mit offenen Karten“, pflegt er zu sagen. Er sagt das Anwälten, die aus anderen Regionen kommen und zum ersten Mal in einem Prozess unter seiner Leitung verteidigen. Er sagt das auch Zuhörern, die seiner Meinung nach ein Recht auf eine Erläuterung haben, was ein Gericht in einer bestimmten Prozesssituation tut. Eckstein pflegte schon Transparenz, ehe sie zum Modebegriff wurde.

Auch im Ulvi-Verfahren hat er es so gehalten. Dass er im Vorfeld des Wiederaufnahmeverfahrens pflichtgemäß mit dem zuständigen Glaubwürdigkeitsgutachter Hans-Ludwig Kröber über Ulvi Kulacs Geständnis sprach und dies zu wilden Spekulationen führte, er habe ein bestimmtes Gutachtensergebnis „bestellt“, haben sowohl Eckstein als auch Kröber als falsch zurückgewiesen. Es hat aber auch dazu geführt, dass Eckstein jetzt vor dem Prozess Interviewanfragen ablehnt.

Michael Eckstein ist ein gläubiger Christ. Einem Messerstecher, dessen Klinge die Schlagader des Opfers nur um Millimeter verfehlt hatte, sagte er einmal: „Danken sie dem Herrgott, dass nicht mehr passiert ist.“ Ab und an hält Eckstein philosophische Kurzreferate über menschliche Schwächen, so als ob er sich selbst vergewissern müsse, dass nicht allein das gedruckte Wort aus dem Strafgesetzbuch für ein Urteil wichtig ist, sondern für einen Verurteilten auch das Gefühl: das Leben geht weiter. So hat er für vergleichsweise kleine Sünder immer wieder ein gutes Wort oder einen guten Rat übrig. Manchmal wird in solchen Verfahren auch gelacht.

Bei Prozessen gegen unverbesserliche Verbrecher aber geht der Vorsitzende mit großem Ernst vor. Im Fall des Krankenpflegers Stephan K., der im Januar 1993 als Jugendlicher in Kulmbach die 16-jährige Melanie Preuß umbrachte und unentdeckt blieb, bis er im Sommer 2004 erneut mordete und seine eigene Nichte tötete, leitete Eckstein die Verhandlung sorgsam, fast überkorrekt. Mit großem Ernst begründete Eckstein am 29. Juli 2005 die lebenslange Haft für Stephan K..

Das Verfahren war von großer Bedeutung für die oberfränkische Kriminalgeschichte: Zwischen dem ersten Mord 1993 und dem zweiten Mord im Jahr 2004 hatte ein Unschuldiger vor Gericht gestanden und war 1995, also damals nicht von Eckstein, freigesprochen worden.

Der Wiederaufnahmeprozess gegen Ulvi Kulac hat eine ähnlich große Bedeutung wie der Fall Melanie Preuß. Sehr wahrscheinlich, dass der große Menschenfreund Michael Eckstein sehr ernst sein wird. Und eher leise.

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