Malmsheimer: Misstrauen schadet nie

Von Wolfgang Karl
Joachim Malmsheimer. Foto: red Foto: red

Jochen Malmsheimer ist ein Künstler des Wortes. Mit feinem Strich zeichnet er Alltagsgemälde. Die Türen eines ICEs werden bei ihm zu den Türen von Raumschiff Enterprise, ein Wurstbrot zum Synonym für die Komplexität der heutigen Gesellschaft. Wir erwischten ihn während einer Autofahrt nach Karlsruhe. Und mussten fesstellen: Bei uns piept's wohl.

 
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Waren Sie schon einmal in Bayreuth?

Malmsheimer: In Bayreuth selbst war ich noch nie, das ist mein erster Besuch.

Haben Sie sich schon überlegt, wie Sie anreisen?

Malmsheimer: Wahrscheinlich komme ich mit dem Auto.

Ich frage, weil sie ein Stück über das ICE-Fahren im Programm haben. Bayreuth ist nicht elektrifiziert.

Malmsheimer: Ist das ihr Ernst? Ja, genießen Sie das, solange es noch so ist. Das ist ja dann wohl ein weißer Fleck auf der elektrischen Landkarte. Herrlich.

Weniger herrlich: In Bayreuth macht sogar der Hugendubel zu. Sie waren früher Buchhändler…

Malmsheimer: Ja, das ist leider inzwischen so. Ich komme ja aus dem Ruhrgebet. Da gibt es nur noch Ketten – und zwei, drei Aufrechte, die entgegen jeder wirtschaftlichen Vernunft ihre kleinen Buchläden weiterbetreiben. Das ist leider flächendeckend so, kein rein Bayreuther Phänomen. Da kann ich Sie beruhigen.

Sind Sie Kabarettist aus wirtschaftlicher Vernunft geworden?

Malmsheimer: Nein, das sicher nicht. Auch zum Leidwesen meines Vaters war es das Letzte, von dem man dachte, dass ich davon leben könnte. Mittlerweile hab ich’s ganz gut hinbekommen. Mein Vater ist beruhigt, um nicht zu sagen: tiefenentspannt.

Was hat er denn im ersten Moment gesagt?

Malmsheimer: Er hat die Hände überm Kopf zusammengeschlagen. Der war froh, dass er mich endlich untergebracht hatte. Ich bin ja in gewisser Weise ein Spätentwickler. Also ein sehr spät Entwickelter…

(Die Frauenstimme des Navigationssystems ist zu vernehmen:  „In 800 Metern bitte rechts abbiegen.“)

Malmsheimer: Ah, Dieses Zeug! Also bitte! Also mein Vater war wirklich entsetzt. Aber er hat auch Vertrauen in mich gehabt, und das hat ihm am Ende dann Recht gegeben.

Hören Sie  besser auf Frauen?

Malmsheimer: Wie Sie gerade mitbekommen haben, höre ich eigentlich überhaupt nicht auf Frauen. Aber die redet trotzdem weiter, die doofe Ziege.

Aber Sie sind verheiratet und haben Kinder?

Malmsheimer: Ja, zwei Söhne. Der Große hat gerade sein Abitur gemacht. Der Kleine ist gerade fünfzehn. Was ich sehr schön finde: Der Große macht gerade ein Praktikum in einer Buchhandlung. Das hat er ohne mein Wissen und ohne meine Protektion angegangen. Da bin ich ganz aus dem Häuschen gewesen. Es macht ihm auch noch Spaß. Also, ich bin ganz zufrieden.

Wenn es wirtschaftlich tragen würde: Welche Art von Buchhandel würden Sie gerne betreiben?

Malmsheimer: Wenn man davon leben könnte, dann würde ich den berühmten kleinen Buchladen betreiben. So einen völlig verräumten. Ich muss sagen: Ich bin sehr gerne Buchhändler gewesen und ich habe einige der besten Gespräche meines Lebens im Buchladen geführt. Die Leute, die Bücher kaufen, sind per se nicht scheiße. Das ist schon Mal eine gute Sache. Leider war das damals schon wirtschaftlich recht eng. Wenn ich einen Buchladen ohne ökonomische Not betreiben könnte, wäre ich morgen wieder Buchhändler.

Dann kennen Sie vielleicht auch den literarischen Schatz Bayreuths. Ein großer deutscher Schriftsteller hat hier gelebt…

Malmsheimer: Literarischer Schatz? Bayreuth? Jetzt sind Sie dran, bitte.

Jean Paul.

Malmsheimer: Jean Paul! Der kommt aus Bayreuth? Das wusste ich nicht. Das schockiert mich.

Geboren in Wunsiedel.

Malmsheimer:  Ach, so ist das: Geboren in Wunsiedel und dann vereinnahmt, ich verstehe.

Der wollte tatsächlich von selbst hierher. Über Bayreuth hat er geschrieben: „Man sollte sich einbohren in dich, um nimmer heraus zu können.“

"Wir trinken nicht aus Reagenzgläsern"

Malmsheimer: Nun, auch große Geister können sich Mal irren. Das macht sie menschlich. Aber ich gönne es Ihnen von Herzen. Den gönne ich Ihnen mehr als den Herrn Wagner.

Er hat auch geschrieben: „Bin ich erstmal in Bayreuth, Himmel, wie werd ich trinken ...“ Benötigen Sie für ihre Texte Stimulanzien?

Malmsheimer: Also, da ich Bier zu den Grundnahrungsmitteln rechne, ist es in Maßen sicherlich nicht hinderlich. Ich versuche, in der Textgenese den Zustand der Nüchternheit einzuhalten. Ist es dann etwas Gelungenes, gibt es das Erleichterungsbier. Bisweilen gibt es am Morgen ein Reparaturbier, wenn der Abend recht schlimm war. Aber das wird immer seltener: Die Konstitution lässt das nicht mehr zu.

Im Ruhrgebiet trinkt man das Bier aber aus normalen Gläsern, oder?

Malmsheimer: Wir haben normale Gebindegrößen und trinken nicht aus Reagenzgläsern. Das ist dem Rheinland vorbehalten. Wir im Ruhrgebiet sind Erwachsene und trinken aus großen Gläsern.

Der Rheinländer bleibt also Kind, meinen Sie?

Malmsheimer: Über das Rheinland mich zu äußern – das würde unseren Zeitrahmen sprengen. Ich kann nur sagen: Ich bin froh, dass ich dort nicht wohne.

"Ich habe ein musikalisches Ohr"

Der Rheinländer gilt ja als fröhlich. Sie mögen keine allzu freundlichen Menschen?

Malmsheimer: Ein gesundes Misstrauen hat noch nie geschadet.

Na, sie passen gut nach Oberfranken. Wie steht es mit ihren Fremdsprachenkenntnissen? Schon Erfahrungen mit dem fränkischen Dialekt gemacht?

Malmsheimer: Was Dialekte betrifft, so habe ich ein recht musikalisches Ohr. Ich höre mich ein. Mitunter bin ich dann in der Lage, einfachen Gesprächen – selbst auf Fränkisch – zu folgen.

Einfache Gespräche stelle ich mir mit Ihnen schwierig vor.

Malmsheimer: Genau das sind sie.

Sie haben gerade Dialekte mit Musik verglichen. Was wäre denn das Sächsische zum Beispiel für eine Musik?

Malmsheimer: Da fangen Sie ja direkt am unteren Ende der Leiter an! Also, wenn das Sächsische überhaupt Musik ist, dann vielleicht Free Jazz. Ein bisschen noch mit Marschmusik unterlegt. Es gibt ja auch furchtbare Musik, machen wir uns nichts vor.

Fällt darunter auch das Fränkische?

Malmsheimer: Das Fränkische klingt sehr vollmundig. Was fällt mir zu vollmundiger Musik ein? Wahrscheinlich kommen wir um Herrn Wagner nicht herum. Voll-wuchtige Blondinen stehen mit Pelzmänteln in der Gegend herum und schreien sich an.

Womit wir beim Thema Bühne wären: Sind Sie noch aufgeregt vor einem Auftritt?

Malmsheimer: Ja, sehr. Ich muss mich bewegen, ich muss laufen. Die letzte halbe Stunde wor einem Auftritt ist furchtbar. Kein Mensch stellt sich freiwillig vor wildfremde Leute und erzählt aus dem Nähkästchen. Das ist unangenehm – jeden Abend aufs Neue. Auch unangenehm: Was zum Kuckuck piepst denn da so nervtötend im Hintergrund?

Das ist die Aufnahmefunktion des Telefons.  

Malmsheimer: Das kann doch nicht wahr sein! Das ist ja grauenvoll. Das piepst alle paar Sekunden, nur, damit ich weiß, dass ich aufgenommen werde? Das hat überhaupt keinen Sinn! Das nervt unglaublich. Beim Autofahren sowieso. Das ist ja furchterregend. Also, dann gratulieren wir uns beiden, dass wir es durchgestanden haben.

INFO: Jochen Malmsheimer tritt am 5. November im Europasaal des Bayreuther Zentrums auf, mit seinem aktuellen Programm „Wenn Worte reden könnten“. Beginn 20 Uhr, Karten unter anderem an der Theaterkasse.

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