Lebensrettender Knopfdruck im Wald

Von Katharina Wojczenko

Es ist kleiner als seine Hand. Doch ohne dieses Gerät müsste Forstarbeiter Herbert Teupser (53) aus Oberwaiz seinen Beruf aufgeben. Als erster in der Region hat er einen GPS-Sender bekommen. Beim Test am Teufelsloch im Limmersdorfer Forst hat das Gerät aber noch seine Tücken.

 
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Herbert Teupser ist auf einmal schummrig, übel und schwindelig. Es flimmert vor seinen Augen. Er steht allein am Teufelsloch, die Vögel zwitschern, der kleine Wasserfall plätschert. Hat er gleich wieder einen Schlaganfall? Er hat Angst, greift nach dem ovalen Gerät an seinem Gürtel, drückt auf den Knopf, ruft um Hilfe. Das ist der Ernstfall, für den er heute übt.

Teupser hatte eine Herzklappen-Operation und zwei Schlaganfälle. "Als die passierten, war ich gottseidank daheim", sagt der Familienvater. Dass es ihn im Wald erwischen könnte, "daran darf man nicht denken", sagt er. Er ist kein Mann, der viele Worte verliert. Sein Vater war schon Waldarbeiter, sein Großvater, sein Urgroßvater. "Ich habe es geliebt." Das Holzmachen mit den Kollegen. Vorbei. "Jetzt muss ich das Beste daraus machen."

Problem: Er kann nicht mehr schwer arbeiten und ist allein im Wald

Er kann keine schweren oder gefährlichen Arbeiten mehr verrichten. Beim Holzmachen sind die Forstarbeiter immer mindestens zu zweit unterwegs. Da könnte der Kollege Hilfe holen, wenn es ihm schlecht geht. Holzmachen kann Teupser nicht mehr, Motorsägen sind tabu. Er kann aber Zäune kontrollieren und abbauen, Käferbäume suchen, mit der kleinen Ziehsäge arbeiten. Für diese Arbeiten ist aber kein Kollege nötig.

Doch im Wald hat sein Telefon nicht überall Empfang, sollte etwas passieren. Eine Handyortung ist außerdem nur bis auf sechs Kilometer genau, das hilft im Wald wenig. Das GPS-Signal weicht maximal fünf Meter ab, außerdem ist die Abdeckung größer. Deshalb hat Teupser als einziger Forstarbeiter in Oberfranken nun den GPS-Sender bekommen.

 

 

Ein Knopfdruck und alle wissen Bescheid - theoretisch

Drückt Teupser darauf einen Knopf, schickt das Gerät ein GPS-Signal an einen Satelliten. Der leitet es erst in die USA, dann nach Stuttgart. Von dort schickt das System eine Warn-SMS an all seine Kollegen, den Revierleiter, an seinen direkten Chef - und vor allem an die Integrierte Rettungsleitstelle in Bayreuth. Diese erfährt so automatisch Name und Telefonnummer und ruft ihn an, sofern er Netz hat. Parallel dazu schickt sie eine Rettungswagen und die Bergwacht los.

Da hakt es bei der Übung schon das erste Mal. Teupser sitzt auf einem Stein im Teufelsloch, drückt den Knopf - doch nichts passiert. Die Übungsbeobachter von Bergwacht, Staatsforst und ILS starren auf ihre Handys. Die SMS kommt nicht. Auch auf Teupsers Gerät wird das Brief-Symbol nicht grün. Erkenntnis: "Das Blätterdach ist an der Stelle zu dicht, das Signal kommt nicht durch", sagt Markus Ruckdeschel, Leiter der ILS.

Blöd: Der Wald hat ein Blätterdach

Damit die Übung trotzdem starten kann, borgt sich Forst-Projektleiter Rainer Schmidt das Gerät und löst an einer blätterfreieren Stelle ein paar Meter weiter oben, an der Forststraße bei der Brücke, erneut den Alarm aus. Teupser liegt derweil weiter auf dem Felsen und kämpft gegen die Mücken. Eine Viertelstunde nach dem ersten Versuch kommt endlich Teupsers erste SMS an. Allerdings ohne die Koordinaten von seinem Standort. Die sind nur bei der zweiten SMS von der Brücke dabei.

Als erster ist Forstwirt-Kollege Lothar Semmelmann bei Teupser mit dem Erste-Hilfe-Set. Das hat geklappt. 15 Minuten später kommen der Rettungswagen und die Retter von den Bergwachten Kulmbach und Bayreuth, schlingen Seile als Ankerpunkte um Bäume, wickeln Teupser vorsichtig in eine Rettungsdecke, heben ihn in den Bergesack und hieven ihn, eingepackt wie eine Mumie, auf dem am Seil gesicherten Rettungsschlitten nach oben.

Gut eine Stunde nach dem ersten Knopfdruck schieben sie Teupser in den Rettungswagen. Im Ernstfall würde der Hubschrauber kommen, doch der ist für die Übung zu teuer.

Das sind die Konsequenzen

Die Erkenntnis aus dem Teufelsloch: Der reine Notruf-Knopf reicht im Wald nicht aus, weil das Signal nicht an allen Stellen übertragen wird. Deshalb werden alle Beteiligten nachbessern. Ähnlich wie es bereits beim Handy-Empfang im Forstbetrieb üblich ist, werden sie die Stellen dokumentieren, an denen es nicht funktioniert. "Dort darf Herr Teupser dann nicht arbeiten", sagt Fritz Maier.

Als zweite Absicherung soll Teupser künftig auch die Tracking-Funktion an dem Gerät aktivieren. Das bedeutet, dass es permanent Teupsers Standort durchgibt. Verlässt er doch einmal den GPS-Bereich, können die Retter so seinen letzten Standort rekonstruieren. "Doch einen solchen Einschnitt müssen wir aus Datenschutzgründen erst mit dem Personalrat klären", sagt Maier. Teupsers findet die Idee gut. "Ich fühle mich so sicherer."

Hintergrund: Das bringt der GPS-Sender

Auf die Idee mit dem GPS-Spot kam Teupsers Chef Fritz Maier, Forstbetriebsleiter der Bayerischen Staatsforsten Nordhalben. "Wir wollen verhindern, dass Herrn Teupser etwas passiert." Für die Umsetzung haben sich Staatsforsten und Integrierte Leitstelle zusammengetan. Letztere hat in Oberfranken zum ersten Mal diese Möglichkeit, einen Notruf abzusetzen, ermöglicht. Das Gerät kostet knapp 1000 Euro, dazu kommen monatlich 27 Euro. Kosten, die der Arbeitgeber übernimmt. "Das ist wie ein lebensrettender Handyvertrag und auch volkswirtschaftlich die beste Lösung", sagt Markus Ruckdeschel, Leiter der ILS. So kann Teupser bis zur Rente weiter in seinem Beruf arbeiten.

Mehr zur GPS-Rettung bei den Staatsforsten und technische Hintergründe hier.

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