In einem Schreiben an die Bundesregierung drängte die Branche kürzlich darauf, die Anwendung der Regelung zu verschieben. Das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erklärte auf Nachfrage, sich in Brüssel für Lösungswege einzusetzen. "Im Bereich des Kaffeehandels bestehen derzeit noch Hürden, um die Umsetzung bis zum Ende der Übergangszeit vollständig umzusetzen. Dazu gehört, dass die Rückverfolgbarkeit von konventionellem, nicht-zertifiziertem Kaffee aktuell noch nicht in allen Fällen bis zur Farm umgesetzt werden kann", sagte ein Sprecher.
Die Kommission hatte das Gesetz im November 2021 vorgeschlagen und dabei auch die Auswirkungen des Vorhabens untersucht. Die Untersuchung kam den Angaben zufolge zum Schluss, dass die Kosten, die den Unternehmen durch Vorschriften entstehen, deutlich geringer seien als die erwarteten Vorteile. Dazu zählen etwa Zugang zum EU-Markt und dass die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten steigt. Darüber hinaus gebe es insbesondere für Klein- und Kleinstunternehmen mehr Zeit, bis sie sich an das Gesetz halten müssten.
Neben dem Branchenverband sehen auch große Kaffeehersteller die neue EU-Regelung kritisch. Johannes Dengler, Mitglied der Geschäftsleitung bei Dallmayr Kaffee, spricht von einem "grotesken Verwaltungsaufwand" für Unternehmen und Bauern. Die Regelung schneide Kleinbauern wie in Äthiopien absehbar vom europäischen Markt ab. Die Kommission betont, die Unterstützung von Kleinbauern habe Priorität. Durch das Gesetz würden Erzeuger aus Drittländern nicht diskriminiert, es gebe keine versteckte Beschränkung des Handels.
Die Kaffeeröster Lavazza, Melitta und Darboven ("Idee-Kaffee", "Mövenpick") teilte mit, sich an das EU-Gesetz halten zu wollen, es brauche aber mehr Zeit. "Die Folgen werden eine klare Verknappung des Angebots von Rohkaffee sein und die Preise dadurch steigen", sagte eine Sprecherin von Darboven.
Deutschland zweitgrößter Kaffeeimporteur der Welt
Der Europaabgeordnete Peter Liese (CDU) sieht die Lage nicht ganz so angespannt und befürchtet persönlich keinen Kaffeemangel ab Jahreswechsel. Er hat aber Verständnis für die Sorgen der Industrie. Es sei vor allem wichtig, Klimaschutzziele umzusetzen. Daher sei er bereit, beim Thema entwaldungsfreie Lieferketten flexibel zu sein. "Persönlich bin ich auch der Meinung, dass eine Änderung der Rechtsgrundlage nach der Wahl in Richtung mehr Pragmatismus eine denkbare Option ist", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Deutschland ist nach Angaben des Kaffeeverbands mit 1,1 Millionen Tonnen im Jahr nach den USA der zweitgrößte Kaffeeimporteur der Welt. Der Rohkaffee kommt aus 15 bis 20 Ländern, der Hauptanteil entfällt auf Brasilien (30 Prozent) und Vietnam (20 Prozent).
Auch anderen Branchen bereitet das EU-Gesetz Kopfschmerzen, zum Beispiel der Süßwarenindustrie. Der Kakao-Markt ist zurzeit ohnehin angespannt, der Preis stieg wegen Ernterückgängen in Anbauländern zuletzt auf einen Rekordstand. Torben Erbrath, Geschäftsführer des Branchenverbandes BDSI, fordert mehr Zeit für die Umsetzung. "Wenn die Voraussetzungen für eine praktikable Umsetzung nicht gegeben sind, werden viele Rohstoffe aus Drittländern und die daraus hergestellten Produkte in der EU nicht verkehrsfähig sein".