Leben in Zeiten des Terrors: Klinikum und Rettungsdienste bereitet sich vor Terror: Das Klinikum bereitet sich vor

Von Susanne Will
Die Ärzte Markus Doreth, Jörg Reuthershan und Stefan Eigl stehen im sogenanten Schockraum. Hier können Schwerstverletzte aufgenommen werden. Stefan Eigl hat die Arterienpresse in der Hand. Foto: Andreas Harbach Foto: red

München, Paris, Brüssel. Diese Städte verbinden große Terroranschläge oder Amokläufe. Wenn es passiert, muss vor allem eins stehen: die Versorgung von vermutlich vielen Schwerverletzten. „Wir wollen keine Panik schüren. Aber wir sollten vorbereitet sein“, sagt Dr. Stefan Eigl, Anästhesist und ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes.

 
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Nach dem Attentat von Paris im November 2015 haben sich der Chefarzt und der Leitenden Oberarzt der Anästhesie, Prof. Jörg Reutershan und Dr. Sebastian Ortlieb, mit dem Leitungsteam der Notaufnahme – darunter Dr. Markus Doreth – und Stefan Eigl in einer Arbeitsgruppe getroffen, um den Alarm- und Einsatzplan der Klinik zu aktualisieren.

Helfer können auch ein Ziel sein

Denn: Ein Terroranschlag oder ein Amoklauf ist nicht vergleichbar mit beispielsweise einem Zugunglück, bei dem viele Menschen schwer verletzt wurden. Denn bei einem Terroranschlag könnten auch die Rettungskräfte Ziel der Attentäter sein. „So war es in Paris“, erinnert Eigl an die Anschläge dort im Stadtgebiet. „Da wurde noch geschossen, währen die Rettungskräfte unterwegs waren.“ Es ist jetzt Aufgabe der Polizei, die Verletzten so schnell wie möglich aus der Gefahrenzone zu bringen und sie in einem sicheren Bereich dem Rettungsdienst zu übergeben. „Und die können nicht darauf achten, den Patienten sicher zu lagern – die haben dazu keine Zeit.“

Wichtiges Utensil: die Arterienpresse

Deshalb werden die Streifenwagen künftig mit einem Hilfsmittel ausgestattet, das erst in Tagen des Terrors wieder seine Neuauflage erfährt: die Arterienpresse. Professor Jörg Reutershan: „Nach einem Anschlag kommt es dringend darauf an, Blutungen zu stillen.“ Und das können auch Laien, weshalb die Anbieter von Erste-Hilfe-Kursen darüber nachdenken, die Blutsperre zu üben. Eigl: „In Paris hatten viele Retter keine Hosengürtel mehr, weil sie damit Blutungen an den Extremitäten stillten.“

Automatisierte Alarmierung

2015 begannen die Mediziner in der Arbeitsgruppe mit kleinen Übungen: An einem Samstag lösten sie Alarm aus – binnen kurzer Zeit hätten 30 Anästhesisten zum Dienst antreten können. Jedoch: Nun wird an einer automatischen Alarmierung gefeilt, denn der Übungsanruf war tatsächlich ein Anruf. Im Ernstfall könnte so wertvolle Zeit verstreichen.

Verletzte erst in die Fahrzeughalle

„Die Zahl der starken Schmerzmittel im Klinikum wurde erhöht, auch bei den Blutgerinnungsmedikamenten wurde aufgerüstet“, sagt Markus Doreth. Die Wundversorgungssets und mobile Beatmungsgeräte reichen aus, um die ersten Schwerverletzten zu versorgen. Wenn die Polizei Verletzte in die Obhut der Rettungskräfte gegeben hat, werden diese Menschen sofort zum Klinikum gefahren. In der Fahrzeughalle sichtet ein Notfallmediziner die einzelnen Verletzungen und entscheidet, welcher Patient aufgrund seiner Verletzungen welche Priorität hat.

Identifizierung über Nummern

Um hier den Überblick zu behalten, wird die Fahrzeughalle in farbige Zonen unterteilt. Und jeder Patient erhält eine Nummer, bereits jetzt gibt es für den Notfall standardisierte Patientenakten, um die Identifizierung zu erleichtern.

Blutkonserven aus anderen Kliniken

Ein bis zwei Stunden reicht der Blutkonservenvorrat, schätzen die Ärzte. Doch gleich nach einem Anschlag würden aus den umliegenden Krankenhäusern Konserven angefordert werden. Derzeit gibt es zwei Schockräume im Klinikum, in denen Schwerstverletzte auch beatmet werden können. Im Ernstfall werden sie auf vier erweitert.

Fünf können gleichzeitig operiert werden

Über Verletzungsarten und den Strom der Patienten erfahren die Mediziner über eine Standleitung zur Leitstelle, das Telefon hängt in der dann zweckentfremdeten Fahrzeughalle. Sollten die Kapazitäten in Bayreuth nicht ausreichen – es gibt hier acht Operationssäle, vier bis fünf Patienten können gleichzeitig operiert werden – dann würden Patienten nach Kulmbach, Nürnberg, Erlangen, Weiden und Bamberg gebracht werden.

Gleichzeitig werden auch die Retter alarmiert, die sich um die Gemütslage von Angehörigen kümmern werden. „Auch diese Menschen werden ins Krankenhaus kommen, weil sie jemanden vermissen“, so Markus Doreth.

Lernen von Anschlag zu Anschlag

Jörg Reutershan: „Wir wollen keinen Teufel an die Wand malen, aber wir sollten gerüstet sein. Das Attentat von Ansbach und der Axt-Täter in Würzburg haben gezeigt, dass Täter nicht nur in Großstädten zuschlagen.“ So bitter es sei: Man lerne von Anschlag zu Anschlag dazu. „Deshalb geht meine Bitte auch dahin, dass die Bürger Erste-Hilfe-Kurse auffrischen: In Paris wurden viele Menschenleben von Ersthelfern gerettet“, sagt Stefan Eigl.

Große Übung würde helfen

Die beste Möglichkeit der sehr guten Vorbereitung sieht Reutershan in einer großangelegten Übung, an der auch Polizei und Feuerwehr teilnehmen könnten. Die Überlegungen dahin dauern an. Denn eine Großübung würde bedeuten, dass das Klinikum für einen Tag im Ausnahmezustand wäre.

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