Lauttencompagney: Da lächelt Maria

Von Frank Piontek
Die Lauttencompagney bei ihrem Konzert in der Schlosskirche. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Muss das wirklich so enden? Nach dem 13. Stück? Unser Kritiker hörte sich ein außergewöhnliches Werk von Claudio Monteverdi in der Schlosskirche an. Und wollte gar nicht mehr nach Hause.

 
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Nichts ist so schlecht, dass es nicht für irgend etwas gut ist. Wäre die Stadthalle nicht gerade geschlossen, wären die Kulturfreunde vermutlich nicht auf die Idee gekommen, ein kleineres Ensemble einzuladen, das so attraktiv ist, dass es den relativ kleinen Raum der Schlosskirche zu füllen vermag. Dass trotzdem ein paar Plätze frei blieben, ist unverständlich. Ganz anders als der enthusiastische Beifall  – denn die Lauttencompagney, die das Bayreuther Publikum schon mehrmals beim Festival „Bayreuther Barock“ erleben durften, bot unter ihrem Leiter Wolfgang Katschner Außergewöhnliches.

Schönste italienische Renaissance

Außergewöhnlich ist schon das Werk: Claudio Monteverdis Marienvesper. Die Frage, ob der Meister der norditalienischen Renaissancemusik im Jahre 1610 die Sammlung von 13 Psalm-Antiphonen, Hymnen, Gebeten und Vokalconcerti bewusst als Zyklus oder als Zufallskollektion angelegt hat, gebt verloren, denn angesichts der stupenden Qualität der Aufführung wird die Frage sinnlos.

Hier machen es auch die Kontraste: zwischen den aufwühlenden und den kontemplativen Sätzen, zwischen den groß besetzten „Nummern“ und den kammermusikalisch organisierten Gustostückeln, dem Chor und den solistischen Wechselgesängen. Die Lauttencompagney, die mit zehn Sängern und vierzehn Instrumentalisten (vier Streichern, drei Holz- und vier Blechbläsern, zwei Zupfinstrumenten und einer Orgel) den ganzen Klangreichtum der Renaissance entfaltet, nutzt die ganze Schlosskirche. Sie macht – in den Nummern 8 und 10 – die schönste Raummusik zwischen dem Himmel der Empore und dem Erdboden der Seitengänge.

Begreifen, ohne zu verstehen

Die harmonisch vertrackte Polyphonie der „Alten“, die Monteverdi so souverän beherrschte, dass er dafür – und nicht für seine modernen Stücke – den Posten des Kapellmeisters an San Marco erhielt – klingt bei diesem Ensemble einfach prachtvoll; „Lauda Jerusalem“ wird zum geheimen Höhepunkt der Satzfolge, wenn es sich im ätherischen Sopran steigert. Monteverdi war ein Meister der Klangrede, was heißt: er hat die geistlichen Texte sehr genau, manchmal auch sehr manieristisch ausgedeutet. Die Lauttencompagney erfüllt die Affekte mit größter Verve. Keine Betonung bleibt hier unberücksichtigt, kein „Judicavit“ unmarkiert, kein Liebeslied („Nigra sum“) ohne Innigkeit und amourösem Nachdruck, keine Stimmung ohne genauen Wechsel in Rhythmus und Melodie.

Wenn die „fröhliche Mutter von Kindern“ besungen wird, schwingt sich die Musik plötzlich in einen tänzerischen Dreiertakt. Vielleicht wüsste man selbst dann begreifen, worum es sich handelt, wenn man den Text nicht verstünde. Das macht: die Kunst der Lauttencompagney, die Sätze mit Sinn und Sinnlichkeit als fein ziselierte und dramaturgisch überzeugende Klangdramen zu zelebrieren.

„Fülle des Wohllauts“, denkt der Thomas-Mann-Leser, wenn zwei Engel den Herren loben oder die Beschwörung einer göttlichen Ewigkeit die Musik in einen Fluss taucht, von dem der beseelte Zuhörer wünscht, dass er niemals zu fließen aufhören möge.

Einziges Manko dieses Konzerts: dass es vorschriftsmäßig nach dem 13. Stück endete – doch wie es endete! Beim Magnificat entfesselt das Ensemble in der Schlussrunde die größte dynamische Kraft: „In saecula saeculorum. Amen“. Und das alles unter der Marienstatue der Schlosskirche, die im zentralen Marien- und Echo-Stück des „Audi caelum“ plötzlich zu lächeln schien...

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