Laufenberg-Kritik: Der Kritiker antwortet

Von Florian Zinnecker
Parsifal wird umgarnt, eine Szene aus der aktuellen Aufführung. Foto: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele Foto: red

Es kommt nicht oft vor, dass drei Wochen nach einer vielbeachteten Opernpremiere der Regisseur sich noch einmal zu Wort meldet. Und ausdrücklich feststellt: Wer die Inszenierung schlecht fand, der täuscht sich, der lügt oder hatte den Vorsatz, den Abend schlecht zu finden; in Wahrheit nämlich sei die Inszenierung sehr gut. Dass das nicht oft vorkommt, hat natürlich einen Grund: Es wirkt nicht sonderlich souverän.

 
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Zeigt es doch, dass der Regisseur seine eigenen Ideen für nicht stark genug hält, für sich selbst zu sprechen, wenn er es für nötig erachtet, ihnen jetzt zu Hilfe zu eilen. Uwe Eric Laufenberg, der bei den diesjährigen Bayreuther Festspielen den „Parsifal“ inszenierte, ist aber natürlich zu schlau, um sich ohne Not dabei erwischen zu lassen.

Das ging nach hinten los

Auf sich sitzen lassen wollte er das, was die versammelten Opernkritiker danach über seinen „Parsifal“ schrieben, aber auch nicht. Und deshalb ist sein Text, der am Dienstag auf dem Online-Feuilletonportal nachtkritik.de erschien, nicht nur Verteidigungsrede. Sondern vor allem ein Gegenangriff. Einer, der nach allen Seiten losgeht. Und leider vor allem: nach hinten.

Kritiker seien "Schnellvernichter"

Laufenberg nennt seine Kritiker „Schnellvernichter“, „große Teile des etablierten Feuilletons“ hätten sich „in ein geschlossenes System begeben, das die unvoreingenommene Betrachtung eines Theater- oder Opernabends nicht mehr zulässt“. Anstatt das Gezeigte wahrzunehmen, weiterzudenken und zu kritisieren, werde „mit übelsten Beleidigungen draufgehauen“, wenn das Gesehene nicht ein intellektuell entwickeltes oder ästhetisch festgezurrtes Konzept anbiete.

Eine Oper, die auf der Bühne tatsächlich am vom Komponisten vorgeschriebenen Schauplatz spielt, werde von deutschen Kritikern grundsätzlich verrissen. Der Kollege der New York Times hätte den „Parsifal“ schließlich gut gefunden.  Man müsste dazu eigentlich nicht mehr sagen als: Oh je.

Denn natürlich hat Laufenberg Recht. Ein intellektuell entworfenes, ästhetisch festgezurrtes Konzept, das nicht nur schön gedacht ist, sondern auch auf der Bühne funktioniert, ist nicht die allein seligmachende Methode, eine Oper auf die Bühne zu bringen. Es hätte bei diesem „Parsifal“ aber tatsächlich entscheidend weitergeholfen.

Warum bricht er nicht aus?

Das deutsche Feuilleton, so Laufenberg weiter, fordere die komplette Übermalung des eigentlichen Werks, das Stück dürfe nur Anlass sein, nicht eigentlich vorkommen, „mein größtes Bedürfnis“, schreibt Laufenberg, „ist es, daraus auszubrechen“. Allein, selbst wenn er mit allem Recht hätte: Er bricht nicht aus. Warum bricht er nicht aus? Der Abend, um den es hier geht, hätte ein so guter Abend werden können, wäre er nur ausgebrochen.

Einfache Lösung für komplexe Fragen

Stattdessen probierte er genau das, woraus er nun seinen Vorwurf münzt: Er übermalt das Werk mit seiner eigenen Lesart, sehr komplexe Fragen mit sehr einfachen Lösungen zu bedenken, die alle nicht recht zusammenpassen. Wie schade.

Die Bayreuther Festspiele sind, zumindest dem eigenen Anspruch nach, die Champions League im Opernbetrieb. Der künstlerische Kurs, den ihre Intendantin Katharina Wagner mit Blick auf die Regie verfolgt, ist fokussiert auf attraktive Namen (Barrie Kosky, Neo Rauch, Jonathan Meese, Wim Wenders) oder vielversprechende Jungstars (Jan Philipp Gloger, Tobias Kratzer).

Erwartungen waren hoch

Dass da die Erwartungen hoch liegen an die Arbeit eines gefeierten Theaterroutiniers, zumal der freilich weder zum einen noch zum anderen Lager zählt und mit Vorab-Interviews nicht gerade geizig war, liegt auf der Hand. Und sie hätten ohne die Islamkritik-Debatte und die Interviews nicht wesentlich niedriger gelegen. Anstatt ihnen zu begegnen, wirft Laufenberg seinem Vorgänger Stefan Herheim „historische Puppenspiel-Taschentricks“ vor, „nur keine Wirklichkeiten, das wäre peinlich“, die Handschrift des Kollegen Frank Castorf sei „durch Jahrzehnte lange Anwendung hinlänglich bekannt und langweilt inzwischen“, Christoph Schlingensief habe das Werk übertüncht und überschrieben, anstatt es zu inszenieren. Souveräner wirkt Laufenbergs Haltung dadurch nicht.

Ob gut oder schlecht entscheidet sich auf der Bühne

Natürlich hätten die Kritiken freundlicher ausfallen können. Gleichzeitig hätte die Inszenierung besser sein können. Und ob eine Inszenierung gut ist oder nicht, entscheidet sich - Vorsicht, Binsenweisheit - nicht im Feuilleton, weder auf nachtkritik.de noch in diesem, sondern auf der Bühne. Und eine Opernkritik kann nie mehr sein als ein Gutachten darüber. Die Gutachten über den Premierenabend fielen dabei gar nicht so einstimmig aus, wie Laufenberg behauptet. Aber doch recht eindeutig. Und natürlich kann man es unfair finden, dass die Schönheit der Ideen so gar nichts gilt, solange sie sich nur in Vorab-Interviews, Pausengesprächen und klugen Texten im Programmheft erschließt.

Es ist nicht allzu viel versucht worden

Entscheidend ist die Aufführung, die Zeit zwischen dem ersten und dem letzten Ton; entscheidend ist die Antwort auf die doppelte Frage: Was ist versucht worden, und inwieweit ist es gelungen. Und zwar nicht im Kopf des Regisseurs. Sondern in der Wahrnehmung jedes einzelnen Zuschauers, an diesem Abend. Und für den Premierenabend kann man festhalten: Es ist, was die Inszenierung betrifft, nicht besonders viel gelungen. Allzu viel ist aber auch gar nicht versucht worden.

 

 

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