Landgericht Regensburg verkündet Urteil Gustl Mollath freigesprochen - Prügel an seiner Ex-Frau bewiesen

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Versteinert nahm Gustl Mollath (57) seinen Freispruch entgegen, denn gerade einen solchen hatte er nicht gewollt: Das Landgericht Regensburg hält es für erwiesen, dass er seine Frau misshandelt hat. Allerdings kommt wegen der Misshandlung der Ehefrau kein Schuldspruch infrage, „weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Angeklagte im Zustand der Schuldunfähigkeit handelte“, sagte die Vorsitzende Richterin Elke Escher. Auch fest steht: Er bekommt eine Entschädigung für seine Zeit in der Psychiatrie. 

 
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Es war die einzige Äußerung Mollaths zu den Misshandlungen seiner Ehefrau, die das Gericht letztlich überzeugt hat: Es hat einen Vorfall gegeben zwischen den Eheleuten. Mollath hatte gesagt, er habe sich nur „gewehrt“. Danach ist sich das Gericht sicher: Mollath habe seine Ehefrau Petra M. (51) an den Oberarmen festgehalten, habe sie mit der Faust geschlagen und sie getreten. Außerdem habe er sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt oder sie in einen ähnlichen Zustand versetzt. Dies bewiesen die Hämatome von Petra M. und die Würgemale am Hals. „Wobei das Würgen geeignet war, das Leben der Ehefrau zu gefährden“, sagte Richterin Elke Escher.

Mollath Webreportage

Sie berief sich auf Zeugenaussagen, die das Gericht für glaubhaft hielt. Auch an der Glaubwürdigkeit des Attestes, das sich Mollaths Ex-Frau hatte ausstellen lassen, ließ das Gericht keinen Zweifel erkennen.

Die Ex-Frau war zwei Tage nach den Misshandlungen zum Arzt gegangen, der das umstrittene Attest ausstellte. Das Gericht nannte es zwar „ungenau und nicht den fachlichen Standards entsprechend“, aber „in sich stimmig und nachvollziehbar“ und berief sich dabei auf die Aussagen des Rechtsmediziners, der gesagt hatte, die dokumentierten Verletzungen und die Beschreibungen des Opfers Petra M. würden „korrelieren“. Mollath hatte immer behauptet, seine Frau habe die Misshandlungen nur deshalb erfunden, weil sie ihm etwas anhängen wollte. Denn er hatte sie bei ihrer Bank wegen angeblicher Schwarzgeldschiebereien angezeigt.

Das Gericht wies dies allerdings zurück. Denn der Streit um Schwarzgeldschiebereien sei erst nach der Trennung des Ehepaares Mollath losgegangen. Petra M. hätte also zum Zeitpunkt der Misshandlungen überhaupt kein Motiv gehabt, ihren Mann falsch zu belasten. Auch dass sie in ihren Aussagen stets von anderen Details der Misshandlungen berichtet hatte, macht sie nach Ansicht des Gerichts nicht unglaubwürdig. Dies komme bei Opfern von Misshandlungen „tagtäglich“ vor, sagte die Richterin.

Ob bei Mollath zurzeit der Misshandlungen eine wahnhafte Störung vorlag, dessen ist sich das Gericht nicht sicher. „Es ist unsicher“, sagte Richterin Escher, ob Mollath aufgrund einer wahnhaften Störung gestört gehandelt habe oder nicht. „Hier greift der Grundsatz in dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten“. Das Gericht muss also annehmen, dass Mollath wahnkrank gewesen ist, sonst liefe es Gefahr, einen Menschen für eine Tat zu verurteilen, die er gar nicht hatte steuern können, für die er gar nicht verantwortlich war.

Das Gericht berief sich dabei auf den Sachverständigen Norbert Nedopil (66), der eine wahnhafte Störung bei Mollath zurzeit der Misshandlungen für möglich gehalten hatte. Als Belege eines Realitätsverlustes bei Mollath diente dem Gericht die lange Liste von auffälligen Verhaltensweisen und Schriften des Angeklagten. Er hatte hohen Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland und der UNO Briefe geschrieben – von Kofi Anan bis Gerhard Schröder – und sei davon ausgegangen, Gehör zu finden.

Außerdem habe er den Personen aus dem Umfeld seiner Frau „nachspioniert“, habe seine Wohnung stets verdunkelt, sei mit einem Auto im Hof seiner Ex-Frau erschienen, habe ein Foto ihres verstorbenen Vaters auf die Motorhaube gestellt und gerufen: „Vor ihm wollte ich dich immer schützen.“.

Weiter habe Mollath sich vor Gericht seltsam verhalten, sei mit einer Zahnbürste im Revers erschienen oder habe Bücher vor sich ausgebreitet und aus den Nürnberger Prozessen vorgelesen. Dieses Verhalten lege den Schluss nahe, so Richterin Escher, dass Mollath sich deutlich „verrannt“ habe und „nicht mehr in der Lage war, angemessen zu reagieren.“

Escher betonte allerdings, dass nicht einzelne Verhaltensweise auf eine wahnhafte Störung hinwiesen, wohl aber die Gesamtheit.

Dass Mollath allerdings mehrere Dutzend Reifen durchstochen hat, sah das Gericht nicht als erwiesen an. Dafür sei die Beweislage zu schwach. Auch der Brief, den Mollath an einen Rechtsanwalt schrieb und in dem fast alle Opfer der Reifenstechereien erwähnt waren, reiche nicht als Beweis aus.

Mollath musste aus juristischen Gründen – wieder – freigesprochen werden. Denn es war eine Wiederaufnahme „zu seinen Gunsten“. Bei einem solchen Verfahren gilt ein „Verschlechterungsverbot“: Das Urteil darf sich nicht verschlimmern im Vergleich zu dem ersten Urteil aus dem Jahre 2006. Damals war er – wegen Schuldunfähigkeit – freigesprochen werden. Auch das Landgericht Regensburg musste ihn deswegen freisprechen.

Mollath zeigte sich in einer ersten Reaktion enttäuscht. Die Vorwürfe seien bestätigt, die „so nie stattgefunden“ hätten, sagte er. Den Tatvorwurf, seine Frau misshandelt zu haben, wolle er „nicht auf sich sitzen lassen“. Allerdings kann Mollath keine Revision gegen das Urteil einlegen – weil er freigesprochen worden ist. Und eine Revision, weil er mit Details aus der Urteilbegründung unzufrieden ist, ist nicht möglich.

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