Landapotheken fürchten Online-Konkurrenz

Von Moritz Kircher
Walter Michalke ist Inhaber der Stern-Apotheke in Bad Berneck. Den allergrößten Anteil seines Umsatzes macht er mit rezeptpflichtigen Medikamenten. Er fürchtet den Preiskampf, den Versandapotheken anzetteln. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Die Landapotheker schlagen Alarm. Wenn jetzt der Preiskampf bei den rezeptpflichtigen Medikamenten kommt, dann sei ein Apothekensterben absehbar. Und das erwische zuerst den ländlichen Raum, wo es vielerorts ohnehin nur noch eine Apotheke gebe. Bei der Versandapotheke Doc Morris, die in Deutschland auf den Arzneimittelmarkt drängt, sieht man das ganz anders.

 
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Ein verschreibungspflichtiges Medikament kostet überall in Deutschland gleich viel. Vor kurzem hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) diese Preisbindung gekippt. Geklagt hatte unter anderen die niederländische Versandapotheke Doc Morris. Seit dem Urteil fordern Interessenvertretungen der deutschen Apotheken die Politik auf, mit einem Gesetz zu reagieren, um den Status quo zu erhalten.

"Wir sind die ersten, die unter Druck geraten."

Der Bad Bernecker Apotheker Walter Michalke erklärt, warum der Preiskampf zuerst die Apotheken auf dem Land treffen würde. „Wir machen 80 bis 85 Prozent unseres Umsatzes mit rezeptpflichtigen Medikamenten.“ Wenn dieser Umsatz nun zurückgehe, weil die Kunden ihre Rezepte bei Versandapotheken einlösen, um Rabatte zu kassieren, „sind wir die Ersten, die unter Druck geraten“, sagt der Chef der Stern-Apotheke. „Da bin ich mir ganz sicher.“

Seit dem EuGH-Urteil gibt Doc Morris wieder Rabatte. „Ab sofort“ könnten die Kunden wieder sparen, teilt der geschäftsführende Unternehmensvorstand Olaf Heinrich mit. Eine Gutschrift von zwei Euro gibt Doc Morris auf jedes bestellte rezeptpflichtige Medikament. Der Bonus sei eine Kompensation für die längere Wartezeit bei Bestellungen im EU-Ausland.

Apotheken auf dem Land machen 80 Prozent des Umsatzes mit Rezepten

Der Himmelkroner Apotheker Jan Stock betrachtet das mit Sorge. „Wenn der Preiskampf bei den rezeptpflichtigen Medikamenten entbrennt, wird es schwierig“, sagt er. „Die frei verkäuflichen Arzneimittel spielen auf dem Land nur eine untergeordnete Rolle.“ Auch er mache rund 80 Prozent seines Umsatzes mit den Rezepten, die die Ärzte im Ort ausstellen. Für einen Bonus von ein paar Euro auf die Internet-Apotheke umzusteigen, hält er für zu kurz gedacht.

Der Apotheker vor Ort berate die Patienten und wisse um andere Medikamente, die sie bereits nehmen. „Das Allerwichtigste ist das persönliche Gespräch“, sagt Stock. „Eine Apotheke ist eben kein Geschäft für den reinen Warenaustausch.“ Für ihn ist die Apotheke eine „soziale Schnittstelle“ im Ort. Außerdem schiebe er alle zehn Tage Notdienst.

Doc Morris: Können eine Versorgungsfunktion übernehmen

Das Argument, die Konkurrenz aus dem Onlinehandel würde zu einem Apothekensterben auf dem Land führen, will man bei Doc Morris nicht gelten lassen. „Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass mehr Preiswettbewerb unter den Apotheken die gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln sogar fördern könnte“, sagt Olaf Heinrich. Und: „Gerade in Gebieten mit geringer Apothekendichte können Versandapotheken zudem eine wichtige Versorgungsfunktion übernehmen.“ Wo erst der Arzt weg ziehe, schließe in der Folge häufig auch die Apotheke. Dort könne der Versand die Lücke schließen.

Versandapotheker auf der einen und Interessenvertreter der niedergelassenen Apotheken stehen sich in der Sache offenbar unversöhnlich gegenüber. So bezeichnet Thomas Metz vom Bayerischen Apothekerverband die Vorstellungen von Doc Morris als „reine Augenwischerei“. Statt einer besseren Versorgung von Patienten in strukturschwachen, ländlichen Gebieten werde es ein „knallharter Verdränungskampf“. Schon jetzt sinke die Zahl der Apotheken kontinuierlich – in Oberfranken von 337 im Jahr 2009 bis heuer auf 310. „Es fehlen Nachfolger, das Land wird unattraktiver.“

„Da haben sie es einfach, unsere Preise zu unterbieten.“

Das Apothekensystem in Deutschland hat sich über Jahrzehnte entwickelt. Besteht da nicht die Gefahr, dass das aus den Fugen gerät, wenn jetzt Versandapotheken mit Rabatten auf den Markt drängen? „Hier hilft der Blick zurück“, sagt Doc-Morris-Chef Heinrich. Bereits in den Jahren 2000 bis zum Bonus-Verbot 2012 habe das Unternehmen Rabatte auf alle Arzneimittel gegeben. Dennoch sei die Zahl der Apotheken in der Bundesrepublik in dieser Zeit gestiegen. Heinrich sagt: „Das EuGH-Urteil gefährdet also keine Apotheken in Deutschland. Es gefährdet auch nicht die Versorgung der Bevölkerung.“ Der Anteil des Versandhandels am Gesamtumsatz mit rezeptpflichtigen Medikamenten mache trotz Boni lediglich drei Prozent aus.

Dennoch ist die Konkurrenz mit den Versandhändlern für den Apotheker Walter Michalke ein ungleicher Kampf. „Die betreiben Rosinenpickerei“, sagt er. Die Versandapotheken müssten keine Notdienste schieben, kein Labor zur Herstellung von Medikamenten unterhalten und könnten ihre Lager mit günstigerer Ware aus dem Ausland füllen. „Da haben sie es einfach, unsere Preise zu unterbieten.“ Stock und Michalke sind sich einig: Versandapotheken bedrohten auf Dauer die Existenz der Landapotheken.

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