Lichtenberg – Jetzt steht es fest: Die in einem Wald in Thüringen gefundenen Knochen stammen von der seit 15 Jahre vermissten Peggy aus Lichtenberg im Kreis Hof. Das hat der DNA-Abgleich am rechtsmedizinischen Institut der Universität Jena ergeben, wie die Staatsanwaltschaft Gera am Dienstag mitteilte. Die spektakuläre Wende bringt den Fall der neunjährigen Schülerin wieder ins Rollen. Die Ermittler sind nun einen entscheidenden Schritt weiter. Doch sie müssen noch viele Fragen beantworten.

Lässt sich DNA denn nach 15 Jahren einwandfrei entschlüsseln?
„Die Knochen sind als Hartgewebe ideal geeignet, um auch bei längerer Liegezeit noch ein DNA-Profil feststellen zu lassen“, sagte der Vize-Direktor des Instituts für forensische Genetik in Münster, Carsten Hohoff. „Von daher sind sie besser als andere forensische Probenträger – zum Beispiel ein Blutfleck oder ein Haar.“ Als Vergleichsproben hatten die Rechtsmediziner Genmaterial von Peggy aus der Zeit ihres Verschwindens, wie der Leitende Oberstaatsanwalt Herbert Potzel am Dienstag in Bayreuth sagte.

Welche aktuelle Informationen haben die Ermittler zur Todesursache des neunjährigen Mädchens?
Nach offiziellen Angaben noch gar keine. Bei dem DNA-Abgleich ging es zunächst einmal nur darum, die Identität des toten Kindes herauszufinden. Allerdings sprachen die Ermittler in Bayreuth schon am Montag von einem möglichen „Tatort“ – es scheint also viel gegen einen natürlichen Tod zu sprechen. Die rechtsmedizinischen Untersuchungen könnten eventuell auch bei der Frage weiterhelfen, ob es sich um einen Unfalltod oder zum Beispiel Mord handelt.

Die Fahnder haben neben Knochen auch „Gegenstände“ gefunden. Warum verraten sie nichts darüber?
Der Hintergrund dafür sei, dass ein möglicher Beschuldigter später behaupten könnte, er habe Details „aus den Medien“ erfahren, sagte Oberstaatsanwalt Potzel. „Es kann sich ja um Täterwissen handeln. Ein eventueller Täter wüsste ja, was er getan hat, wo er Gegenstände abgelegt hat.“ Auch Polizeihauptkommissar Jürgen Stadter vom Polizeipräsidium Oberfranken machte deutlich, dass Details über gesicherte Spuren vorerst geheim bleiben. Gleiches gelte etwa für Gegenstände, die die Fahnder nach wie vor suchen.

Inwiefern könnten die Knochenfunde bei der Suche nach dem mutmaßlichen Täter helfen?
Um Rückschlüsse auf einen möglichen Täter ziehen zu können, seien vor allem andere mögliche Probenträger in der Nähe des Fundortes der Knochen wichtig, sagte Forensik-Experte Hohoff. „Möglicherweise lassen sich an Knochen weitere Spuren, Werkzeugspuren, finden, die die Polizei in ihren Ermittlungen weiter verfolgen kann.“

Die Polizei hat eine Soko Peggy gegründet. Wer arbeitet da mit?
Polizeihauptkommissar Stadter sprach von gut 30 Mitgliedern der Sonderkommission. Darunter seien „überwiegend“ Kriminalbeamte. Über die anderen Soko-Mitglieder machte er ebenso wenig Angaben wie über die verschiedenen Fachrichtungen, aus denen sie kommen.

Wie arbeitet die Soko Peggy?
Einige der Experten für den Fall der verschwundenen Neunjährigen sind mit Polizisten aus Thüringen am Fundort der Knochen im Einsatz. Sie suchten noch am Dienstag das Waldgebiet zwischen Rodacherbrunn (Saale-Orla-Kreis) und Nordhalben (Landkreis Kronach) ab. Die Suchmaßnahmen betreffen laut Stadter einen Umkreis von mehr als 100 Metern um den ursprünglichen Fundort der Knochen. Weitere Details zur Arbeit der Soko wollten weder Stadter noch Potzel noch das Bundeskriminalamt (BKA) machen. Eine BKA-Sprecherin verwies darauf, dass Sonderkommissionen immer fallabhängig unterschiedlich arbeiten.

Was bedeutet der Knochenfund für Peggys Mutter?
Psychotherapeut und Trauma-Experte Christian Lüdke aus Essen sagte in einem Interview mit der Münchner Abendzeitung: „Mit den sterblichen Überresten, die jetzt beigesetzt werden können, kann die Mutter endlich anfangen, richtig zu trauern.“ Das sei wichtig, um diesen Prozess zum Abschluss zu bringen. Dass der Täter noch nicht gefasst sei, lasse etwa die Frage offen: Hätte man das Ganze verhindern können?

Hofft die Polizei auf neue Hinweise aus der Bevölkerung?
Nach der ausführlichen Berichterstattung des Vortags hatten sich bereits neue Zeugen an die Polizei gewandt. Vereinzelt seien neue Informationen eingegangen, sagte Polizeihauptkommissar Jürgen Stadter von der Polizei Oberfranken. „Aber wir gehen momentan nicht davon aus, dass da schon etwas Entscheidendes dabei ist.“

Wird nach dem Leichenfund gegen die anderen Verdächtigen erneut ermittelt?
Bislang waren mehrere Verdächtige ins Visier der Ermittler geraten. 2002 war der geistig behinderte Ulvi K. aus Lichtenberg als Tatverdächtigen präsentiert worden. Er habe Peggy ermordet, um zu vertuschen, dass er sie sexuell missbraucht habe, hieß es damals. Das Landgericht Hof verurteilte ihn 2004 als Peggys Mörder. 2014 sprach ihn das Landgericht Bayreuth jedoch in einem Wiederaufnahmeverfahren frei. Zwischenzeitlich waren auch ehemalige Bekannte der Familie Peggys aus Halle an der Saale verdächtig, doch diese Spur brachte ebenfalls keinen Durchbruch. Sie gelten nicht mehr als Verdächtige. In den vergangenen Jahren gab es zudem eine Reihe von spektakulären Suchaktionen der Polizei, um das Verschwinden der Schülerin doch noch aufzuklären Unter anderem ließ die Polizei ein Grab auf dem Lichtenberger Friedhof öffnen und bei einem Nachbarn in Lichtenberg graben.