Koppel statt Wanderschaft: Im letzten Teil der Serie "Bibelzitate" sprechen wir mit Schäfer Dieter Albrecht, der auch der Wirt der Bergstub'n ist Schäfer Dieter Albrecht: Ein bisschen fühle ich mich wie ein Hirte

Von Sarah Bernhard
Dieter Albrecht hat rund 210 Schafe – mit denen er allerdings nicht umher zieht, wie die Hirten im Evangelium. Dafür holt er sie, wenn es sein muss, auch mal an den Beinen auf die Welt. Foto: Harbach Foto: red

In den vergangenen Tagen sprachen wir mit verschiedenen Menschen über ein Zitat aus der Bibel. In unserem letzten Serienteil ist Schäfer Dieter Albrecht (46) aus Culmberg an der Reihe, der auch der Wirt der "Bergstub’n" ist. Zwar unterscheidet sich sein Leben von dem der Hirten im Lukas-Evangelium. Manchmal fühlt er sich ihnen aber doch sehr nahe.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Herr Albrecht, haben Sie nachts bei Ihren Schafen schonmal einen Engel gesehen?
Dieter Albrecht: Ich bin zwar manchmal auf dem Feld, aber nicht mit meinen Schafen.

Was machen Sie denn auf dem Feld?
Albrecht: Pflügen oder säen. Bei den Schafen bin ich nur bei einem starken Unwetter, um zu schauen, ob der Zaun noch steht. Der wird manchmal durch herumfliegende Äste umgeworfen, und bevor die Schafe am nächsten Tag im Getreide stehen, schaue ich lieber nachts noch nach.

Sie sind also kein Wanderschäfer, wie die Hirten zur Zeit Jesu?
Albrecht: Nein. Die meisten kleinen Betriebe in der Region haben heute Koppelhaltung. Ich zäune meine Schafe ein und stecke die Zäune immer wieder um. Das hat den gleichen Effekt, nur dass ich nicht immer dabei sein muss. Ich habe meistens zwei Herden draußen mit jeweils 100 bis 110 Schafen.

Fühlen Sie sich trotzdem mit den Hirten von damals verbunden?
Albrecht: Im Winter sind die Schafe ja fest im Stall. Aber wenn ich im Sommer von Gesees nach Haag ziehe, laufe ich vorneweg und fühle mich dann doch ein bisschen wie ein Hirte.

Vor 2000 Jahren standen Schäfer eher am Rand der Gesellschaft – weshalb die Engel gerade zu ihnen, den einfachen Menschen kamen. Wie ist das heute?
Albrecht: Die einen sind begeistert von meiner Arbeit, die anderen sagen, man sollte die Natur lassen, wie sie ist. Die machen dann manchmal einfach die Koppel auf. Aber man sieht doch, was dabei rauskommt: Alles voller Hecken. Es kam auch schon vor, dass ein Superschlauer seinen Hund auf die Schafe zurennen ließ, damit „der Hund sich an sie gewöhnen kann“. Gott sei Dank war die Umzäunung groß genug, so dass die Schafe nicht auf der anderen Seite ausgebrochen sind. Wenn die in ein Auto laufen, muss ich haften.

Können Sie von Ihrem Beruf leben?
Albrecht: Im Moment ist mit der Gastronomie etwas mehr verdient. Dabei ist Schafhaltung deutlich mehr Arbeit. Leben könnten wir zwar auch von den Schafen allein, aber nicht ohne die Prämien, die wir für die Landschaftspflege bekommen. Die Erzeugung an sich wird eher schlecht vergütet.

Können Sie sich an ein besonderes Erlebnis mit ihren Schafen erinnern?
Albrecht: Erst gestern hat ein Mutterschaf ihr Lämmchen nicht angenommen, und dann ist eine andere Mutter eingesprungen. Das ist für uns immer ein Highlight, weil dann hat das Lämmchen eine gute Überlebenschance.

Und wenn keine Mutter einspringt?
Albrecht: Dann probieren wir es mit der Flasche, alle Stunde einmal. In der Lammzeit kann es passieren, dass ich gleich wieder Geburtshilfe leisten muss.

Ziehen Sie das Lämmchen dann an den Beinen raus?
Albrecht: Ja. Aber man muss mit Gefühl rangehen. Wenn ich mit meiner Statur kräftig ziehe, könnte ich dem Lämmchen die Beine ausreißen.

Wenn Sie sich die frohe Botschaft aussuchen könnten, die der Engel Ihnen verkündet, was wäre das?
Albrecht: Gesundheit. Und dass diese Arbeit besser honoriert wird.

Die weiteren Serien-Teile finden Sie hier:

Die Apothekerin

Der Astrophysiker

Der Anwalt

Bilder