Was wollen Georgischer Traum und der Milliardär Iwanischwili?
Paradox ist, dass die Regierung von Georgischer Traum die erfolgreichen Gespräche über den EU-Kandidatenstatus geführt hat. Sie hält nach Worten am EU-Kurs fest - verfolgt aber zugleich gute Kontakte nach Moskau.
Starker Mann der Partei ist ihr Gründer Bidsina Iwanischwili (68), der mit Geschäften in Russland zum Milliardär geworden ist und zeitweise auch Ministerpräsident war. Ende April hielt er in Tiflis eine Rede, die eine autoritäre Wende ankündigte - irgendwo zwischen Viktor Orban in Ungarn und Wladimir Putin in Russland. Er drohte der Opposition strafrechtliche Verfolgung an nach der kommenden Parlamentswahl im Oktober. Georgien müsse sich vor verderblichem westlichem Einfluss schützen. Und er sprach von einer "globalen Kriegspartei", die Georgien wie die Ukraine zur Konfrontation mit Russland aufhetze.
Hat Russland tatsächlich seine Hand im Spiel?
Im Gegensatz zur internationalen Kritik hat Russland das Gesetz verteidigt. "Kein souveräner Staat möchte die Einmischung anderer Länder in seine Innenpolitik", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Es sei absurd, das Gesetz als "russisches Projekt" zu sehen.
Beobachter wie Malerius sehen aber über das NGO-Gesetz hinaus Ähnlichkeiten zur Entwicklung in Russland. Ein neues Gesetz erleichtert den Zufluss von Offshore-Geld nach Georgien, was Iwanischwili wie auch Russen helfen könnte, Sanktionen zu umgehen. Solche Indizien legten nahe, "dass das Drehbuch zu diesem Geschehen in Russland geschrieben wurde", sagt Malerius.
Wer trägt die Proteste?
Vor allem junge Menschen gehen auf die Straße. Viele haben visafrei die EU besucht und sehen die europäische Perspektive ihres Landes in Gefahr. Klare Führungsfiguren gibt es nicht. Doch Staatspräsidentin Salome Surabischwili steht aufseiten des Protests. Dazu kommen Gewerkschaftler, prominente Sportler und Künstler, einige Geistliche der orthodoxen Kirche und einzelne Vertreter von Georgischer Traum. In den vergangenen Tagen hat die Staatsmacht Regierungsgegner öffentlich angeprangert und Schläger auf sie gehetzt. Dies hat die Demonstrationen angeheizt.
Welche Folgen kann der Konflikt haben?
Die EU hat das Gesetz ein Hindernis für einen Beitritt Georgiens genannt. "Georgien ist an einem Scheideweg. Es sollte seinen Kurs nach Europa fortsetzen", sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen jüngst. Vielleicht wird nicht sofort der Kandidatenstatus aberkannt. Aber es könnte Sanktionen gegen Iwanischwili und seine Umgebung geben. In der US-Führung zeigte sich der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan tief besorgt über den "demokratischen Rückschritt".
Iwanischwili und Ministerpräsident Irakli Kobachidse geben sich überzeugt, dass sie die Protestwelle aussitzen können. Doch in der Dynamik der Proteste scheint nicht ausgeschlossen, dass die Regierung stürzt. Georgischer Traum könnte auch im Oktober die Parlamentswahl verlieren, bei der sie angesichts der zersplitterten Opposition eigentlich auf einen ungefährdeten Sieg zusteuerte.
Das Gesetz zum zweiten Mal nach 2023 zurückzuziehen, wäre eine bittere Niederlage für Georgischer Traum, schrieb der Experte Alexander Atassunzew für Carnegie Politika. "Aber es nicht zurückzuziehen bedeutet, die europäische Zukunft des Landes zu riskieren und zugleich die eigene Macht."