Mit besorgniserregender Kontinuität wachsen Rechtsextremismus und Antisemitismus in Deutschland. Und das, was Innenminister Seehofer zu Recht als „Alarmzustand“ bezeichnet, droht zu einer schlimmen Normalität zu werden. Die Verfassungsschützer sehen eine enorme Gewaltbereitschaft, die im rechtsextremen Spektrum vergleichsweise höher ist als irgendwo sonst. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Radikalisierung und Brutalität am linksextremen Rand wächst. Das vergangene Jahr war geprägt von Gewalt: Die rassistische Mordserie von Hanau gehört zur Geschichte rechten Terrors. Angriffe auf Polizisten bei Protestdemos während der Pandemie und der versuchte Sturm auf den Treppen des Reichstagsgebäudes zeigen, wie direkt die Demokratie inzwischen angegriffen wird. Es ist gut, dass der Verfassungsschutz im Licht der Ereignisse endlich seinen Analyseansatz geschärft hat: Endlich reagiert der Geheimdienst auf die Frage, wie es zur Verschärfung der Situation am rechten Rand kommt und nimmt die Wegbereiter ins Visier. Die so genannte Neue Rechte liefere den Nährboden, um immer neue Anhänger zu radikalisieren, sagt Verfassungsschutzpräsidenten Haldenwang. Diese Klarheit hätte man sich früher gewünscht.