Noch spannender als die Tiere waren nur die anderen Familien: Unter den anwesenden Kindern waren zum Beispiel Zwillinge, die ganz fantastisch Basketball spielen konnten, obwohl eines der beiden Mädchen mit einer Herzerkrankung zu kämpfen hat. Oder der aufgeweckte Junge mit einer Gehirnfehlbildung. Noch nie habe ich einen Zehnjährigen kennengelernt, der so empathisch und liebevoll mit unserer Tochter gespielt hat. Ein furchtloser Prachtkerl, was einen wieder mal zur Grundsatzfrage führt, wer normal und wer behindert ist in dieser undurchschaubaren Welt.
Von dieser Frage ist es nicht weit zum furchtbaren Satz: „Die sieht doch gar nicht behindert aus“, den wir in Bezug auf unsere Tochter zu hören bekommen. Wenn unsere Kleine mal wieder Alarm macht im Alltag, führt das zu verständnislosen Blicken, nach dem Motto: Was hat die denn, die sieht doch ganz normal aus. Und wenn sie dann auch noch keinen Ton herausbekommt oder in ihrer Fantasiesprache lautierend antwortet, werden weder Blicke noch Kommentare besser.
Geschrei am Deich
Einmal hat sie an einem Deich im Nordseeurlaub einen Meltdown gehabt und furchtbar geschrien. Ein durchgeknallter Rentner ist daraufhin ohne Vorwarnung auf sie zugegangen, hat sich zu ihr hinuntergebückt und ihr in voller Lautstärke ins Gesicht geschrien. Meiner Frau habe ich es zu verdanken, dass ich in diesem Moment keine Gewalt angewendet habe.
Beruhigt habe ich mich erst wieder, als meine Tochter kurz danach wieder lächeln konnte. An Ferientagen strahlt sie dabei mit ihren Augen so intensiv, dass man in diesem Blick gerne lebenslang Urlaub machen würde.
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Unser Autor ist Redakteur der Stuttgarter Zeitung. Er hat zwei Kinder – seine Tochter kam mit einem seltenen Gendefekt zur Welt.