Kinostart in Bayreuth: Ein Interview mit Filmemacherin Annika Blendl Der Mollath-Film: Eine Geschichte mit vielen Wahrheiten

Von
Gustl Mollath zwischen den Regisseurinnen Annika Blendl (links) und Leonie Stade (rechts) bei der Premiere des Films in München. Foto: Felix Hrhager/dpa Foto: red

Ein Jahr ist es her, dass das Wiederaufnahmeverfahren gegen Gustl Mollath (58) begonnen hat. Nach einem wochenlangen Prozess wurde der Nürnberger, der behauptete, zu Unrecht sieben Jahre in der Psychiatrie gesessen zu haben, vom Regensburger Landgericht freigesprochen. Seit seiner Freilassung aus dem Bayreuther Bezirksklinikum 2013 haben ihn die beiden Filmemacherinnen Leonie Stade (27) und Annika Blendl (33) begleitet. Am Ende waren es mehr als 80 Stunden Material. Herausgekommen ist ein 90 Minuten langer Film mit dem Titel „Mollath – und plötzlich bist du verrückt“.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Neben der Hauptperson Mollath gibt es noch drei weitere Protagonisten, die keineswegs als Nebenrollen zu Wort kommen. Mollaths Anwalt Gerhard Strate, mit dem er sich im Wiederaufnahmeverfahren überworfen hatte; die Spiegel-Journalistin Beate Lakotta und Otto Lapp, Chefreporter des Nordbayerischen Kurier, die beide in der Diskussion um Mollath ganz andere Seite des Falles beleuchtet haben. 

Premiere des Films ist am Donnerstag, 9. Juli, im Nürnberger Cinecittà und im Bayreuther Cineplex. In Bayreuth sind die Aufführungen am Donnerstag um 17.30 Uhr, am Sonntag, 12. Juli, um 10.30, 17 und 20 Uhr, sowie am Mittwoch, 15. Juli, um 17 und 20 Uhr. Der Kurier sprach im Vorfeld der Aufführung mit Filmemacherin Annika Blendl.

Wie war die Arbeit mit Gustl Mollath?
Annika Blendl: Für uns war sie angenehm. Er war zuverlässig und offen.

Was heißt offen?
Blendl: Anfangs war er skeptischer. Nach sieben Jahren Psychiatrie hätte man erwarten können, dass er verschlossener ist. Aber er machte immer einen ehrlichen Eindruck. Er hat immer seine Wahrheit erzählt. Was wir aber alle tun.

Das Umfeld um Mollath war sehr schwierig, vor allem manche Unterstützer haben über die Stränge geschlagen.
Blendl: Wir waren auf ganz vielen Veranstaltungen. Da war uns wichtig, davon einen Abstand zu nehmen und uns auf Mollath zu fixieren. Aber es gibt auch Leute, die manchmal was Ungutes beigemischt haben.

Ist Mollath verschroben oder verrückt?
Blendl:
Absolut verschroben, aber nicht verrückt. Er will halt immer mit dem Kopf durch die Wand, das macht ihn nicht einfach. Bei uns eigentlich nicht, aber eher gegenüber dem System. Mit solchen Leuten kann das System nicht.

Aber ihr seid auch System gewesen.
Blendl: Ja, das stimmt. Aber wir haben ihm nicht gesagt, was er machen soll, er hat gemacht. Er durfte sich zeigen, wie er ist.

So wie er in sich München Hosen anschaut und sich über deren Herstellungsbedingungen aufregt?
Blendl: Das ist halt Mollath, er sieht die Welt und gibt seiner Kritik freien Lauf. Ist ja auch alles richtig, was er sagt. Und trotzdem ist das in unserer Welt einfach unangemessen.

Die Leistung eures Films ist es, die Wertung fast rauszulassen. Wie schafft man das?
Blendl: Wir haben gemerkt, dass gibt in der Geschichte extrem viele Wahrheiten gibt. Wir haben uns die alle angehört. Und wir haben jeden einzelnen so gezeigt, dass man ihn versteht und nicht vorführt.

Wie war die Reaktion der Leute?
Blendl: Unterschiedlich, an sich sehr gut. Die Leute waren angetan, viele haben ihn als Helden gesehen.

Ist er ein Held?
Blendl: Nein, für uns war er ein Opfer, das sich als Held herausgekämpft hat aus seiner Lage. Auch die Presse für sich zu gewinnen, das war nicht einfach, das versuchen alle. Das ist schon erstaunlich, was er geschafft hat.

Umso erstaunlicher, dass ihr ihn nicht glorifiziert habt.
Blendl: Eigentlich ja. Der Film sollte alle Seiten zeigen. Es wäre unglaubwürdig, wenn wir eine Heldengeschichte gemacht hätten. Es ist weder eine Opfer- noch eine Heldengeschichte. Aber Mollath ist manchmal sehr stur – und er braucht einfach viel Raum.

Wie siehst du den Fall?
Blendl: Mollath war zu Unrecht auf jeden Fall zu lange in der Psychiatrie. Ich sehe es, wie wir es im Film gezeigt haben. Man hat verschiedene Töne da drin. Es ist irritierend. Wir haben die Wahrheit der anderen immer verstanden. Es ist ja nicht so, dass sich einer hinsetzt und lügt. Der hat das eben anders gesehen.

 Auch die Journalisten Otto Lapp und Beate Lakotta haben das anders gesehen …
Blendl: Aber das nachzuvollziehen ist auch die andere Seite der Geschichte.

Wie waren die anderen Protagonisten?
Blendl: Verteidiger Strate war imposant, ein sehr kluger Mann. Und sehr offen für einen Anwalt. Er ist ein Fan des Films, obwohl er ja auch in seiner Ehre verletzt wurde. Damit kann er umgehen. Bei Lapp war lustig, dass er überall rumgeguckt hat und sich ein eigenes Bild gemacht hat. Man spürt, dass er Journalist ist. Spiegel-Autorin Lakotta war mehr faktisch, sie hielt sich an die Akten. So muss die Meinung eines Richters sein, der den Fall vorgelegt bekommt und schnell handeln und entscheiden muss. Sie hat den Blick eines Urteilenden. Lapp war anders, der ist zu den Leuten gegangen.

Du bist Schauspielerin, wäre eine Mollath-ähnliche Rolle spielbar?
Blendl: Es war ja auch ein Super-Schauspiel, etwa im Gericht in Regensburg. Das hätte man besser gar nicht schreiben können. Aber zum Nachspielen ist das sehr schwierig. Lieber würde ich Regie führen.

Wie hat Mollath auf den Film reagiert?
Blendl: Er hat sich selbst als sehr gut beschrieben gesehen. Manches hat ihn ergriffen.

Unsere Webreportage zum Fall Mollath finden Sie hier

Autor

Bilder