Keita Obushi glänzt bei Steingraeber

Von Frank Piontek
Keita Obushi spielte bei Steingraeber Werke von Schumann, Beethoven und Brahms. Foto: red Foto: red

Was für ein Spiel! Das war der Ausruf unseres Rezensenten nach dem Donnerstagabend. Er meinte damit nicht nicht die Partie zwischen Deutschland und Frankreich, nein, er lobte den Abend eines einzelnen - eines Spitzenpianisten bei Steingraeber, einem mit verinnerlichter Spielfreude.

 
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Vermutlich wurde hier in den letzten Jahren kein Werk Robert Schumanns so häufig öffentlich gespielt wie die Fantasie op. 17. Das Jugendstück erweist sich bei jedem Hören als Gebilde, das man zu kennen scheint und doch jedes Mal neue Züge offenbart. Dass erst die Aufführung das Werk macht, weil der Interpret mehr oder weniger große Freiheiten besitzt oder sich anmaßt, ist eine Binsenweisheit, die im Fall der Fantasie meist zu produktiven Ergebnissen führt.

Andras Schiff hat sie einst, im Markgräflichen Opernhaus, als jenen „Sternentraum“ gespielt, den sich Schumann vorstellte, als er sein Klavierstück der Clara Wieck gewidmet hat. Unter den Händen Rudi Springs eignete dem Finale etwas Leichtes, ja Poetisches, bevor Jörg Demus den „Sternentraum“ in die Klangfarben tiefster Mystik tauchte. Zuletzt hat Holger Gutsche schon die Fanfare im Kopfsatz der Quasi-Sonate so skeptisch aufgebaut, als sei den Triumphbögen nicht zu trauen, die sich der Komponist angeblich vorgestellt hat.

Skepsis und Einsamkeit, Brüche und Visionen: wieder sind wir bei Steingraeber, wo Keita Obushi die biographisch grundierte Fantasie dem Lackmustest namens „Schwarze Romantik“ aussetzt. Er radikalisiert den Notentext, indem er ihn ernst nimmt. Im Wiederspiel von Fantasie und Sonatenform, das die Kontraste von Triumph und Einsamkeit auslotet, hallen die Pianissimo-Töne des Kopfsatzes extrem nach.

Was bei diesem tief empfindenden Musiker manieristisch klingt, erweist sich als Psychogramm eines Komponisten, der seine Gefühle in eine Musik packt, die Beethoven verpflichtet ist und zugleich das Tor zur Musik der Gegenwart aufstößt. So viele Brüche also konnte der junge Schumann in Musik bringen. Das triumphale Hauptthema will sie zusammenzwingen, doch Obushi weist auf die Zerklüftungen hin, die im Schluss, im Sinne des Wortes, verzweifelt ausklingen: in traurigem Dur.

So also hört sich „bedeutende“ und gedeutete Musik an, die ihrerseits zu Deutungen einlädt. Mit Beethovens Sonate op. 109 hatte er nicht soviel Glück; die Kontraste, die Beethoven zumal im ersten Satz fixiert hat, in dem das Schnelle „dolce“ und das Langsame hart klingen soll, hört man nicht bei Obushi – doch das Andante molto cantabile ist wirklich ein gesungenes Glück.

„Es ist doch kein Fußballspiel, also nicht so wichtig“, meint ein jugendlicher Konzertbesucher in der Pause, der zwischen einer Fantasie und einem deutsch-französischen Fußballspiel Prioritäten setzen kann. Wichtiger ist an diesem Abend die Aufführung eines selten gespielten Brahms-Zyklus. Dabei sind die 8 Klavierstücke op. 76 Perlen der Brahms'schen Klavierkunst. Man höre nur das As-Dur-Intermezzo: Obushi schenkt uns Zauberklänge und schillernde Spannungen, er macht aus den Intermezzi und Capriccios hochromantische Stimmungsbilder, und wenn er anschließend Schumanns Arabeske spielt, wissen wir, dass wir es mit einem japanischen Musiker zu tun haben, der in die Schule des Zen gegangen ist. 24 Stunden zuvor konnten wir im Kunstmuseum einen Meister der japanischen Bambusflöte auf buddhistischen Spuren hören, heute Abend zelebriert ein anderer japanischer Musiker Schumanns Arabeske mit größter innerer Ruhe.

Um die beiden anscheind wichtigsten Ereignisse dieses Abends mit einem Wort zusammenzufassen: Was für ein Spiel!