Juniorwahl im Fichtelgebirge Jugendliche wollen politisch mitmischen

und Michelle Dammer
Julius Goldner, Schüler am Walter-Gropius-Gymnasium Selb, erlebt bei der Juniorwahl Demokratie erstmals hautnah mit. Foto: /Sophia Goldner

Etliche Schulen bieten die Juniorwahl an. Im Kreis Wunsiedel informieren sich viele Minderjährige über das Stimmrecht und machen selbst Kreuzchen.

 
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Wunsiedel/Marktredwitz/Selb - Mittlerweile sind die Juniorwahlen das größte Schulprojekt Deutschlands: Um das politische Interesse von Jugendlichen zu wecken und sie langsam an den Wahlprozess heranführen, haben sich auch im Fichtelgebirge etliche Schulen an dieser Juniorwahl beteiligt. Ziel ist, das im Unterricht über die Demokratie und die Politik Gelernte praktisch auszuprobieren.

Acht- bis Zwölftklässler dabei

Schüler der Jahrgänge acht bis zwölf haben im Otto-Hahn-Gymnasium Marktredwitz unter Anleitung der Lehrkräfte Kathrin Zölch, Simon Roth, Mary Möller-Hartung teilgenommen. Schulleiter Stefan Niedermeier, der generell für ein Wahlrecht ab 16 Jahren plädiert, sieht die Juniorwahl als Wegbereiter: Die Gymnasiasten beschäftigten sich oftmals weitaus besser und intensiver mit der Thematik als die Erwachsenen, erklärt Niedermeier. Die Schüler seien sehr interessiert, hätten viele Fragen und verfügten teilweise über umfassenden Wissen, bestätigen die Lehrkräfte.

Ergebnisse betreffen Jüngere länger

Anders als ihr Schulleiter sind einige Marktredwitzer Gymnasiasten allerdings nicht für das Wahlrecht ab 16, da viele junge Leute das Thema nicht ernst genug nähmen oder nur aus Sympathie wählten. Politisches Interesse sei unabhängig vom Alter, die Auswirkungen der Wahlergebnisse beträfen junge Leute am längsten und diese zählten nicht zu den „Gewohnheitswählern“, argumentieren hingegen die Befürworter.

Sozialkunde zu spät

Da die Schüler immer klassenweise zur Wahl gingen, beteiligten sich nur einzelne Jugendliche nicht, erklärt Mary Möller-Hartung. Problematisch sei der späte Schuljahresanfang in Bayern gewesen, da Sozialkunde erst in der zehnten Klasse auf dem Stundenplan stehe, sagt Niedermeier. Umso erfreuter war der Schulleiter über die Motivation der Jugendlichen und darüber, dass sie in den vergangenen Jahren keine radikalen Parteien gewählt haben – im Gegenteil: Die Jugendliche tendierten zu „freundlichen“ Parteien wie zum Beispiel solchen für den Tierschutz.

Realitätsnahes Vorgehen

Das Wahl-Procedere ist realitätsnah: Die Schüler erhielten eine Benachrichtigung, die sie den Wahlhelfern aus der zwölften Jahrgangsstufe vorlegten. Sie kontrollierten die Ausweise und hakten die Namen im Verzeichnis ab, bevor sie den Wahlzettel aushändigten. Dieser sah aus wie „echt“ – nur etwas kleiner. In Wahlkabinen gaben die Jugendlichen ihre Stimme ab, bevor sie die Zettel in die Wahlurne warfen.

Demokratie-Aktie

Auch die Neunt- und Zehntklässler der Sigmund-Wann Realschule Wunsiedel nehmen bereits seit mehreren Jahren an der Juniorwahl teil. Um die Kosten zu stemmen, erwarb der Förderverein der Schule eine sogenannte Demokratie-Aktie. „Es ist nicht nur wichtig, den Schülern den Wahlakt näher zu bringen, sondern auch die damit verbundene Bürokratie“, erklärt die Organisatorin, zweite Konrektorin Viktoria Lang. „Alle Klassen informierten sich vier bis sechs Stunden in Deutsch, Sozialkunde und Geschichte über die Bundestagswahlen und die Parteien.“ Das Interesse und das Vorwissen der Realschüler seien groß, etliche hätten Apps wie den Wahl-O-Mat ausprobiert. Wer vorsichtig sei, werde langsam herangeführt: Wichtig sei, das Wahlrecht zu nutzen, erklärt Lang. Bei der vergangenen Juniorwahl gaben die Wunsiedler Realschüler den Grünen den Großteil ihrer Stimmen. Aus Diskussionen im Unterricht folgert Lang, dass sich das gewandelt habe.

Es geht um eigene Zukunft

ie Wunsiedler Realschüler der Klasse 9a sind von der Jugendwahl begeistert. Sie finden es wichtig, ihre Meinung äußern zu können, da es um ihre Zukunft gehe. Am Herzen liegen ihnen der Klimaschutz, die Gleichstellung aller Geschlechter, die Landwirtschaft und die soziale Absicherung. Das Wahlrecht ab 16 befürwortet die Klasse, da Jugendliche in diesem Alter eine eigene politische Meinung besäßen.

Politische Bildung zu spät

Lehrerin Lang kritisiert, dass die politische Bildung in Deutschland viel zu spät beginne. Sozialkunde müsse schon vor der zehnten Klasse starten. Ein früher Einblick in die Politik helfe, sich eine eigene Meinung zu bilden. „Ich lerne es lieber richtig in der Schule, statt daheim im Internet durch Fake News und ähnliches“, erklärt eine Realschülerin.

Gehör im Bundestag

„Ich finde es toll, dass durch die Jugendwahl Demokratie lebendig und authentisch vermittelt wird“, sagt der siebzehnjährige Julius Goldner, Schüler des Walter-Gropius-Gymnasiums in Selb. Hier durften die zehnten, elften und zwölften Klassen an der Juniorwahl teilnehmen. „Die Juniorwahl soll nicht nur das bundespolitische Interesse bei den Jugendlichen wecken, sondern auch durch die Weitergabe der Ergebnisse Gehör im Bundestag finden. Denn es ist heutzutage sehr wichtig, sich auch mit der Meinung der Jugendlichen auseinanderzusetzen“, erklärt Sozialkunde-Lehrerin Stefanie Spangler.

Direktkandidaten angesehen

Obwohl es mit einer Unterrichtsstunde wenig Zeit für die Vorbereitung auf die Bundestagswahl gab, befassten sich Elft- und Zwölftklässler des Selber Gymnasiums freiwillig mit den Direktkandidaten und dem Wahlprogramm, freut sich die Lehrkraft. Die Zehntklässler kamen durch die Juniorwahl erstmals mit Politik in Berührung, weshalb sich manche noch nicht so sicher seien.

Mit Triell beschäftigt

Dass sich viele Schüler umfassend mit der Bundeswahl beschäftigt haben, beweisen folgende Jugendlichen: Der 15 Jahre alte Noah Siebenhaar hat sich gezielt mit den Wahlprogrammen auseinandergesetzt und eines der Trielle angesehen.

Jule Pribert, 17 Jahre alt, hat den Wahl-O-Mat getestet und die Nachrichten gesehen. Sie findet die Jugendwahl außerdem gut, weil sie dadurch sehe, wie eine richtige Wahl ablaufe.

Lieber U-18-Wahl

Das Luisenburg-Gymnasium in Wunsiedel hat statt an der Juniorwahl an der U-18-Wahl teilgenommen. „Beide Wahlen sind sich in vielen Punkten ähnlich“, sagt Lehrkraft Markus Thoma. Nachdem sich die Schule in den vergangenen Jahren an den Juniorwahlen beteiligt hatte, bot Svenja Fassbinder an, im Lugy ein Lokal für die U-18-Wahlen einzurichten. Allerdings musste das Wunsiedler Gymnasium die Materialien stellen und die Wahl in Eigenverantwortung organisieren. Thoma stellte dies mit den Zehntklässlern und der Politik-Arbeitsgruppe.

Jüngere stark dabei

„Von ungefähr 550 Wählern aus dem Landkreis Wunsiedel kamen 238 vom Luisenburg-Gymnasium. Überraschend war für mich, dass vor allem viele jüngere Schüler aus den Jahrgängen fünf bis acht mitgemacht haben“, sagt der Lehrer, der die Ergebnisse überraschend fand: Die fünften bis achten Klassen stimmten größtenteils für die CSU und Tierschutzparteien. Bei den älteren Schülern bekamen die FDP, die Linken und SPD mehr Stimmen. Wichtiger als das Stimmungsbild fand Thoma, die Schwellenangst zu überwinden und Jugendlichen politisches Zeitgeschehen näher zu bringen. Für ihn ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich junge Menschen zunehmend für Politik interessieren.

„Wunsiedel ist bunt“

Davon ist auch Celina Krauss überzeugt, Schulsprecherin am Luisenburg-Gymnasium und Vorsitzende der Jugendvertretung Wunsiedel. Das zeige auch die hohe Wahlbeteiligung an der U-18-Wahl, mit der man einen neuen Rekord aufgestellt habe. Überrascht hat die Schülersprecherin das hohe Engagement der Schüler aus der Unterstufe. Das zeige, welche große Rolle politische Bildung schon bei den Jüngeren spiele. Bei „Wunsiedel ist bunt“ nähmen ebenfalls zahlreiche Schülerinnen und Schüler aller Altersklassen teil.“

Schüler-Demos für Mitspracherecht

Auch eine Senkung des Wahlalters auf 16 empfindet die Schülerin als sinnvoll, da sich viele Jugendliche vielseitig einbrächten. Auch Demonstrationen von Schülern zeigten, „wie wichtig es uns ist, ernst genommen zu werden. Wir wollen mehr Mitspracherecht haben, weil es unsere Zukunft betrifft.“

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