Jüdisches Jubiläumsjahr „Wir waren schon einmal viel weiter“

Die Besucher kommen eher spärlich. Und wenn sie kommen, sind es meistens Gäste der Stadt, die sich im Alten Schloss informieren über das jüdische Bayreuth. Die Ausstellung im Alten Schloss läuft noch bis Sonntag. Und sie zeigt, dass das jüdische Bayreuth mittendrin im Leben ist. Und hoch spannend.

 
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Bayreuth - Gleich gegenüber geht die Geschichte los. Die jüdische Geschichte von Bayreuth. Tritt man aus dem Alten Schloss heraus, schaut man auf das ehemalige Kaufhaus des Max Harburger. Ein Bekleidungshaus. Wie heute. Räumungsverkauf steht dort zu lesen an dem barocken Haus. Max Harburger hatte zu den vielen angesehenen jüdischen Kaufleuten Bayreuths gehört. Bis zu 30 Prozent der Bayreuther Geschäfte waren von jüdischen Inhabern geführt worden. Max Harburger hatte als Wohltäter der Stadt eine gemeinnützige Stiftung zur Unterstützung von verarmten Arbeitern und Kriegsversehrten hinterlassen.

Eintauchen in eine reiche Geschichte

Von vielen anderen Geschäften erzählt die Ausstellung „Jüdisches Bayreuth“, die noch bis zum Sonntag im Alten Schloss zu sehen ist. Die anregt, einzutauchen in eine reiche Geschichte. In eine wechselvolle Geschichte, die in Bayreuth um das Jahr 1300 herum begann, die Höhen hatte. Und traurigste Tiefen ab den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit den Greueltaten der Nazis. Bayreuth, sagt der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Felix Gothart, habe immer dann Blütezeiten gehabt, „wenn die jüdische und die nichtjüdische Bevölkerung im Einklang gelebt haben“.

Ausstellung bis Sonntag

Diese Zeiten, diese Blütezeiten sind ebenfalls ablesbar in der Ausstellung, die seit Ende Juli läuft und das Ziel hat, den Bayreuthern und natürlich auch den Festspielgästen „den Bogen vom Mittelalter bis heute zu spannen“, wie es Christine Bartholomäus im Gespräch mit unserer Zeitung sagt. „Wir wollten die Ausstellung an einen zentralen Ort bringen, wo viele Besucher die Möglichkeit haben, sie zu sehen. Das war auch Felix Gothart wichtig“, sagt die Leiterin des Stadtarchivs, die sich intensiv mit der jüdischen Geschichte von Bayreuth auseinander gesetzt hat, die auch an dem gleichnamigen Buch mitgeschrieben hat, das 2010 erschienen ist – dem Jahr, in dem die älteste deutsche Synagoge, die in Bayreuth, die noch als solche in Betrieb ist, 250. Jubiläum feiern konnte.

Ein zweites Leben einer Ausstellung

Die Ausstellung war ebenfalls in diesem Jubiläumsjahr zu sehen und feiert jetzt – im Jahr, in dem 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gewürdigt wird – ihr zweites Leben. „Geplant ist, die Ausstellung im Anschluss an die jüdische Gemeinde zurück zu geben. Sie soll im jüdischen Kulturzentrum gezeigt werden, wenn die Alte Münze restauriert ist“, sagt Christine Bartholomäus. Die Zahl der Besucher ist eher überschaubar, Bayreuther kämen kaum, heißt es auf Nachfrage. Dafür zeigen Gäste der Stadt Interesse. Wie Sabine Klimm und ihr Sohn Jonas. Die beiden Augsburger sind wegen der Festspiele hier, auch wenn Sabine Klimm sagt, sie selbst sei eher nicht der große Wagner-Freund – anders als ihr Sohn, der Wagner s Musik mag, aber vor dem Hintergrund, „dass man die Kunst vom Künstler extrahieren muss“. „Aber ich interessiere mich seit langem für die jüdische Geschichte“, sagt sie. Auch ihr Sohn teilt dieses Interesse. Geschichte hat er studiert, Seminare mit dem Thema belegt, um mehr zu erfahren, „weil jüdisches Leben teils nur schwer wahrnehmbar ist“, wie er sagt.

„Eher abgeschottet“

In Bayreuth – wie auch in vielen anderen Städten – seien die jüdischen Gemeinden aus nachvollziehbaren Gründen „eher abgeschottet“, sagt Sabine Klimm, die gerne auch mehr Synagogen besichtigen würde. Die Ausstellung in Bayreuth zeige deutlich, „wie zerbrechlich jüdisches Leben immer war“, sagt Jonas Klimm. Mit einer Geschichte, die sich auf viele Städte in ähnlicher Weise übertragen lasse. Und Jonas Klimm sagt einen Satz, der dem ähnelt, den Felix Gothart sagte: „Man sieht auch immer deutlich, wie sehr die Städte profitiert haben, wenn sie jüdisches Leben zugelassen haben.“ Juden seien in der Regel „gebildete Menschen und kulturbeflissen gewesen, die ihren Städten auch zu Reichtum und Ansehen verholfen haben“, wie Sabine Klimm nach dem Rundgang durch die vielen Schautafeln der Bayreuther Ausstellung sagt. „Sie haben die Ehre der Städte vermehrt“, sagt Jonas Klimm.

Altes Gedankengut kocht wieder hoch

Was Sabine und Jonas Klimm aus der Ausstellung mitnehmen: Die Erkenntnis, „dass wir schon einmal viel weiter waren“ in der Geschichte. „Es ist traurig, aber wahr, dass altes Gedankengut wieder hochkocht“, sagt Sabine Klimm. Ebenso traurig sei, „dass die Leute, die es nötig hätten, eine Ausstellung wie diese zu sehen, nicht kommen. Die haben ihre Schublade – und die wird eifrig weiter bedient.“

Ein Bogen vom Mittelalter bis heute

Die Ausstellung, sagt Christine Bartholomäus, soll den Blick „nicht verengt auf die zwölf Jahre“ – die Kernzeit des nationalsozialistischen Treibens auch in Bayreuth – lenken, sondern soll anregen, auf Entdeckungstour durch die Geschichte zu gehen. Gerne sprichwörtlich, denn mit einem Faltplan können Interessierte auf eigene Faust durch Bayreuth gehen, jüdischer Geschichte nachspüren. „Oder auch vertiefende Artikel in dem Buch lesen“, das am Eingang aufgelegt ist, wie Bartholomäus sagt. Wer mehr wissen will, könne sich auch direkt an das Stadtarchiv wenden.

Durchaus Interesse an Angebot des Stadtarchivs

Bartholomäus und ihre Kolleginnen haben in den vergangenen Wochen auch Informationsstunden zum persönlichen Austausch vor Ort angeboten, die durchaus genutzt worden seien – mit Fragen zum jüdischen Friedhof und seiner eigenen Historie seit dem 18. Jahrhundert, „mit Fragen, wo sich die Judengasse befunden hat oder eben zur jüdischen Gemeinde und ihren rund 500 Mitgliedern. Es gibt ja schließlich in Bayern nicht mehr so viele jüdische Gemeinden“, wie die Leiterin des Stadtarchivs sagt.

Ein kleines Stück eines Mosaiks

Die Ausstellung Jüdisches Bayreuth sei „ein kleines Stück des Mosaiks“, ein Teil der reichen Erkenntnisse, die es über die Gemeinde gebe, sagt Felix Gothart. Natürlich werde sie Bestandteil des Museums werden, dessen Aufbau mit Fertigstellung des jüdischen Kulturzentrums beginne. „Die Ausstellung soll selbstverständlich fortgeschrieben und aktualisiert werden“, sagt Gothart. Um das, was in der jüngsten Vergangenheit aufgebaut wurden – die Sanierung der Synagoge, der Bau der reinsten Mikwe Europas – „oder was an historischen Erkenntnissen noch ans Tageslicht kommt. Die Ausstellung ist ein gutes Fundament dafür.“

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