Integration Wie Geflüchtete in Kulmbach Fuß fassen

Kinder tun sich viel leichter, wenn es ums Lernen von fremden Sprachen geht. Foto: Jörg Carstensen/dpa

Die Interkulturelle Frauengruppe im Kulmbacher Familientreff hilft sich und auch anderen. Integration sei nicht immer einfach. Die Frauen verraten, wie sie das schaffen.

 
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Eigentlich sei es ganz einfach: Integration ist Sprache, Mülltrennung – und die Suche nach der eigenen Identität! So sehen das die Mitglieder der Interkulturellen Frauengruppe im Familientreff der Geschwister-Gummi-Stiftung. Sie unterstützen heute selbst Geflüchtete, die erst seit kurzem in Kulmbach und Umgebung sind und sich zurechtfinden müssen: beim Spracherwerb, bei der Schulanmeldung oder um Kontakte zu knüpfen.

Altpapier, Plastikverpackungen, Kompost: Nach ihrer Ankunft in Kulmbach hat Fatima Mansour-Drak lange gebraucht, um das deutsche System der Mülltrennung zu verstehen und auch ihrer Familie nahezubringen. Solche Herausforderungen gab und gibt es für Geflüchtete viele: „Sie möchten den Regeln und Vorschriften in Deutschland von Anfang an gerecht werden, während sie eigentlich noch damit beschäftigt sind, die Flucht aus dem Heimatland zu verarbeiten“, weiß Antonia Beyerlein, Leiterin des Familientreffs.

Auf der anderen Seite hat die Syrerin die „schwere“ Sprache sehr schnell gelernt. Heute redet sie mit den anderen Mitgliedern der Interkulturellen Frauengruppe und weiteren Beteiligten im Familientreff der Geschwister-Gummi-Stiftung „nahezu ohne Punkt und Komma“. Hier fühlt sie sich wohl und verstanden. Es ist eine ganz besondere Gemeinschaft: Die Frauen, mal fünf, mal dreißig, sprechen in den regelmäßigen Treffen über ihren Alltag und ihre Familie, Bildung und Erziehung, Jobs, Hobbys und vieles mehr.

Sprache lernen durch Kontakte: Die Themen und Herausforderungen geflüchteter Frauen sind im Laufe der Jahre gleich geblieben: So organisieren die Mitglieder beispielsweise Hilfe bei Umzügen, halten Sprachkurse für arabische Kinder, helfen im Jugendamt als Dolmetscherinnen oder beraten bei Fragen bezüglich Kindergarten oder Schulbildung. Sie besuchen die Gemeinschaftsunterkünfte und nehmen Neuangekommen in Empfang. Dieses Netzwerk ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. „Manchmal kann die Unterstützung von Menschen, die auch schon in ähnlichen Situation waren, wirksamer und hilfreicher sein. Sie können schneller und realistischer einschätzen, welche Informationen benötigt werden und bei Bedarf übersetzen“, sagt Antonia Beyerlein. Denn der Spracherwerb bilde auch heute, nach über zehn Jahren Erfahrung in der Integration von Menschen aus Bürgerkriegsstaaten eine Herausforderung. Viele Geflüchtete aus Syrien oder dem Irak etwa müssen lange auf eine Arbeitserlaubnis warten. Diese aber wäre unschätzbar wertvoll, um Kontakte zu knüpfen und in der Kommunikation die Sprache zu lernen und zu trainieren. Darin sind sich die Teilnehmerinnen einig. Aus eigener Erfahrung wissen sie, dass zum Beispiel die Begegnungen und Gespräche mit den Kulmbacherinnen und Kulmbachern nicht nur ihr Deutsch schulen, sondern auch Perspektiven eröffnen. So wirken die Frauen etwa regelmäßig bei der interkulturellen Woche des Landkreises Kulmbach oder an verschiedenen Kochabenden im MUPÄZ mit.

Denn: „Kochen und Essen verbindet. Die Menschen sind neugierig auf unsere Gerichte. Da fällt es leicht, ins Gespräch zu kommen“, erfährt Sanna Mustafa. Das bestätigt auch Mezkin Hussein und blickt zurück: „Die Menschen sind in den letzten Jahren offener geworden.“ Gleichzeitig betont sie ihre eigene Aufgeschlossenheit: So finden beispielsweise auch Besuche in der Seniorenwohnanlage Mainpark der Diakonie Kulmbach statt: Die arabischen Frauen erzählen von ihrer Heimat und ihrer Geschichte, so manche Seniorin dagegen von ihrer eigenen Kriegserfahrung und Flucht. „Die Begegnung, das Gespräch und der Kontakt mit Frauen deutscher Herkunft liegt uns am Herzen“, erzählt auch Mezkin Hussein.

Balance zwischen Anpassung und eigenen Traditionen: Auf diese Weise findet „echte“ Integration statt. Die Frauen setzen sich mit ihrer eigenen Identität auseinander. Den Wert der Sicherheit, Gesetze und Regeln haben sie schätzen gelernt. Dagegen ist es ihnen wichtig, ihren Kindern ihre Muttersprache nahezubringen. „Sie gehört auch zu unseren Kindern dazu, ebenso wie die deutsche Sprache“, betont Fatima Mansour-Drak. „Jeder muss seine eigene Balance zwischen Anpassung an die neue Welt und die eigenen Traditionen finden.“ Da geht es etwa um das Tragen oder Ablegen des Kopftuchs Hijab, um die Kindererziehung und vieles mehr.

Denn gerade die Kinder erleben Integration sehr schnell, wie die Frauen bekräftigen. In den Kindergärten und Schulen falle es ihnen leicht, die Sprache zu erlernen. Der Familientreff mit seinem großzügigen Café und dem Garten bietet dabei einen wunderbaren Raum für gemeinsame Treffen. Für Babys, Kleinkinder und deren Eltern bieten die Krabbelgruppen des Familientreffs zudem Gelegenheiten, neue Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen. Einige von ihnen finden später durch persönliche Anrede oder Aushänge den Weg in die die Interkulturellen Frauengruppe, die eine starke Initiative zur Selbsthilfe geworden ist – offen und voller Energie. Sie sind in Kulmbach integriert und im Einklang mit sich selbst: „Einiges Neue bereichert unser Leben, wiederum bereichern wir die Gesellschaft. Andere Traditionen leben wir zum Beispiel innerhalb der Frauengruppe oder in unseren Festen aus.“ Zu diesen sind übrigens auch Interessierte eingeladen: Beim vergangenen Fastenbrechen im Mai etwa waren auch Frauen anderer Religionen anwesend und im Austausch miteinander.

gummi-stiftung.de/integrationsprojekte

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