In der langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten stellen sich Studenten ihren Schreibblockaden Uni Bayreuth: Hausarbeiten im Team

Von Julian Rodemann
Tim Kalmey sitzt schon lange an seiner Hausarbeit. Jetzt will er endlich vorankommen. Foto:Harbach Foto: red

Von wegen Semesterferien: In der vorlesungsfreien Zeit muss Tim Kalmey eine Hausarbeit schreiben. Die Schreibberater der Universität Bayreuth helfen dem Studenten. Am Donnerstagabend luden sie zur dritten langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten - Büro-Yoga und Fingergymnastik inklusive.  

 
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In fetten roten Lettern prangt das Wort in Tim Kalmeys Kalender: Abgabe. Am 15. April muss seine Hausarbeit fertig sein. Den Termin hat er bereits nach hinten verschoben. Seit Wochen grübelt der 21-jährige Student über die Gliederung seiner Arbeit, liest Berge an Literatur und verfasst Fragestellungen, die er kurz darauf wieder verwirft. Kalmey studiert Philosophie und Wirtschaft und schreibt seine Seminararbeit über Landnahme: Er untersucht, was es bedeutet, wenn Großkonzerne Kleinbauern Felder stehlen.

Doch was heißt Schreiben? Bis jetzt hat er keine Zeile verfasst. Heute will er endlich vorankommen.

Tim Kalmey ist einer von 70 Studenten, die am Donnerstagabend in der Universität Bayreuth zur langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten gekommen sind. Neben Kaffee, Tee und Naschereien helfen den Schreibern Kurzreferate, Fingergymnastik, Büro-Yoga und Konzentrationsübungen. Auch an vielen anderen Hochschulen in Deutschland beugen sich Studenten an diesem Abend von 16 bis 24 Uhr über ihre Arbeiten.

Hinter der Aktion steckt die Schreibberaterin Andrea Bausch. Die Universität Bayreuth hat seit fünf Jahren eine Stelle für Schreibberatung, die Studenten beim wissenschaftlichen Schreiben unterstützt. Egal, ob es bei der Seminar-, Bachelor oder Masterarbeit klemmt – Andrea Bausch und ihre Mitarbeiter helfen den Studenten in Seminaren und Einzelberatungen weiter. „Dabei ersetzen wir keine fachliche Beratung“, sagt Bausch, „sondern schauen als interessierte Leser auf die Arbeiten.“ Oft helfe schon eine korrekte Selbsteinschätzung weiter. „Es gibt kein richtig und falsch, jeder schreibt anders.“ Bausch und ihre Kollegen unterscheiden zwischen fünf Schreibtypen (siehe unten).

Nützliche Tipps von der Kommilitonin

Tim Kalmey zählt wohl zu Typ zwei: die Jäger und Sammler. Er hat schon ausgiebig Material angehäuft, intensiv recherchiert. Als Bausch die Studenten in ihrem Impulsreferat bittet, ein Ziel für die Nacht zu formulieren, schreibt Kalmey „vier Zusammenfassungen fertig bekommen“ auf das grüne Schild aus Pappe. Seine Kommilitonen und er hängen die Kärtchen an eine Wäscheleine. Wenn sie sich am Buffet eindecken, erinnert sie die Leine an ihre Ziele. „Wenn ich mit vier Zusammenfassungen fertig werde, ist schon viel geschafft", erklärt der Student.

Als er gerade anfangen will, tippt ihm eine Frauenhand auf die Schulter. "Und an was schreibst du heute?" Ihm gegenüber steht die Schreibberaterin Theresa Lienhardt. Als Kalmey ihr erzählt, dass er sich mit Landnahme befasst, horcht die 23-Jährige auf. "Ich kenne eine Studentin, die hat vor circa einem Jahr über Landnahme in Mosambik geschrieben." Kurzerhand zerrt Lienhardt Kalmey weg vom Buffet stellt ihm Julia Debske vor. Die verspricht Kalmey, ihm nützliche Literaturtipps per Mail zu schicken. "Echt super nett von dir", bedankt sich der Student. 

"Referate waren gehaltvoll"

Zwei Stunden später klappt Tim Kalmey langsam seinen Laptop zu. Es ist kurz nach elf. "Ich hau jetzt ab", sagt er. Sein Ziel, mit den vier Zusammenfassungen fertig zu werden, hat er zwar nicht erreicht. Trotzdem wirkt er zufrieden. "Die Referate waren gehaltvoll." Außerdem gefiel ihm die Arbeitsatmosphäre. "Wenn alle um dich herum schreiben, fällt es schwer, untätig herum zu sitzen."

Auch der Austausch mit den Kommilitonen hat ihm geholfen; besonders die Literaturtipps von Julia Debske. Der Student hat allerdings auch Verbesserungsvorschläge: "Die Kurzreferate haben mich oft aus meinem Arbeitsrhythmus geworfen." Sie sollten das nächste Mal zusammengelegt werden, meint er. Dann, so ist sich Kalmey sicher, wäre er heute zu mehr gekommen. Doch ein bisschen Zeit hat er ja noch. Bis zum 15. April.

Info: Welcher Schreibtyp sind Sie?

Schreibberaterin Andrea Bausch teilt die Studenten in fünf Schreibtypen ein. Zu welchem gehören Sie?

Typ 1: der Geschichtenerzähler

Groß nachdenken? Haben Sie nicht nötig. Ohne große Umschweife lassen Sie die Finger über die Tastatur fliegen, schreiben oft in einem Zug bis zum Ende. Problem: Besonders bei langen Texten geraten Sie gerne ins Schleudern.

Typ 2: der Jäger und Sammler

Bloß nicht anfangen! Das weiße Blatt Papier wird für Sie zum Schreckgespenst. Lieber erst einmal gründlich Informationen sammeln: Hier ein interessanter Aufsatz, dort ein spannender Artikel... Problem: Irgendwann muss jeder anfangen

Typ 3: der Architekt

Detaillierte Zeitpläne und geordnetes Material sind für Sie das A und O. Sie überlassen nichts dem Zufall. Kapitel für Kapitel schreiben Sie entlang Ihrer Gliederung. Problem: Wehe, Sie stecken irgendwo fest - denn das stand nicht in Ihrem Plan!  

Typ 4: der Kritiker

Zwei Sätze vor, einen zurück. Sie feilen bis ins Unermessliche an Ihren Wörtern und gehen hart mich sich ins Gericht. Problem: Ihre Messlatte hängt zu hoch. Spaß am Schreiben haben Sie schon lange nicht mehr. 

Typ 5: der Puzzlespieler 

Das große Bild haben Sie schon lange vor Augen. Aus einzelnen Puzzlestücken setzen Sie es behutsam zusammen. Sie schreiben mal hier, mal dort ein Kapitel. Problem: Die Übergänge zwischen den einzelnen Abschnitten können für Sie zur echten Herausforderung werden.   

   

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