Heiße Ware bringt Anklägerin in Nöte

Von Manfred Scherer
Foto: Arne Dedert/dpa Foto: red

Ein Fernsehtechniker kauft heiße Ware an. Ein Staatsanwalt glaubt, dass er das wusste und klagt ihn an. Zum Prozess schickt er eine junge Referendarin und bringt sie in die Zwickmühle, denn: Auf Glauben kann man keine Bestrafung stützen.

 
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Gewerbsmäßige Hehlerei lautet der Vorwurf, den die Anklagebehörde gegen den 39-jährigen, selbstständigen Fernsehtechniker erhob: Im Frühjahr soll der Mann zwei technische Geräte angekauft haben, die gestohlen waren.

Tatsache ist: Beide Geräte, ein teurer Beamer aus dem Fraunhofer-Institut und ein Lasermessgerät der Firma Wedlich, waren zuvor gestohlen worden. Die Diebe boten ihre Beute dem Mann in der Fernsehwerkstatt zum Kauf an.

Ein Beamer wurde bei Fraunhofer geklaut

Der Angeklagte kaufte an – den Beamer für 275 Euro, das Messgerät für 60 Euro. Den Beamer bot der Angeklagte im Internet für 600 Euro zum Weiterverkauf an, das Messgerät für 199 Euro. Eine unverschämt hohe Profitspanne, aus der sich schließen lässt, dass der Ankäufer geahnt haben könnte, dass er sich auf einen Handel mit illegaler Ware eingelassen hatte?

Nein, erklärte der Fernsehtechniker in seinem Prozess bei Amtsrichter Torsten Meyer: „Es ist mein Geschäft, günstig einzukaufen und mit so viel Gewinn wie möglich weiter zu verkaufen.“

In Ketten vorgeführt

Der Verkäufer des gestohlenen Beamers – mittlerweile für den Diebstahl selbst bestraft – sagte als Zeuge, er habe dem Fernsehtechniker natürlich nicht gesagt, dass der Beamer „vom Laster gefallen“ war, sondern nur, „dass ich Geld brauche“. Auch der Verkäufer des Messgeräts, in Ketten vorgeführt aus der Strafhaft, bezeugte, er habe nicht viel mit dem Aufkäufer gesprochen, lediglich Preisverhandlungen geführt.

Der Richter winkt mit dem Zaunpfahl

Diesen zweiten Dieb ermittelte die Polizei mit Hilfe des Angeklagten, der ihn identifizierte – die Unterschrift auf der Kaufquittung war nämlich unleserlich.

Aus dem Umstand, dass der Angeklagte für beide Beutestücke ordnungsgemäße Ankaufsquittungen ausgestellt hatte und aus der Tatsache, dass er die Ware nicht versteckt, sondern offen in seinem Schaufenster und danach transparent im Internet angeboten hatte, zog Richter Meyer diese juristische Schlussfolgerung: Ein direkter Vorsatz könne dem Angeklagten nicht unterstellt werden.

Meyer ging sogar weiter: einen, ebenfalls strafbaren, bedingten Vorsatz könne man nur anhand von Indizien beweisen. „Und solche liegen für mich nicht vor. Er kann doch einem Verkäufer nicht an der Nasenspitze ansehen, dass der gestohlene Ware bringt.“

Gegen ihre Überzeugung

Auf Meyers Wink mit dem Zaunpfahl hin bat die junge Referendarin auf dem Stuhl der Staatsanwaltschaft um eine Pause – offenbar war sie mit dem Auftrag zur Verhandlung geschickt worden, eine Verurteilung zu erreichen.

Ihre Rücksprache bei Ihrem Vorgesetzten änderte die Maßgabe nicht. Die Referendarin musste – offensichtlich gegen ihre Überzeugung – einen Schuldspruch beantragen: zehn Monate auf Bewährung forderte sie.

Die Verteidigerin tat sich leicht: „Die Anklage ist nichts wert. Ich beantrage Freispruch.“

Keinerlei Indizien für heiße Ware

Der Richter gab diesen Freispruch: Es gebe keinerlei Indizien, dass der Angeklagte etwa von der heißen Ware geahnt haben könnte. Bei den gestohlenen Gegenständen handele es sich um Alltagsware, die tagtäglich irgendwo in Leih- oder Pfandhäusern den Besitzer wechselten.

Nur bei völlig ungewöhnlichen Gegenständen müsse ein Ankäufer Verdacht schöpfen – etwa, wenn ein Normalbürger beispielsweise einen Computertomografen anbiete.

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