Heilpraxis: Akupunktur im Kuhstall

Von Heike Hampl

Eric ist krank und das bereitet Evi Sorgen. Mit ihrer Zunge schleckt sie den Kleinen ab, als wolle sie ihm sagen: "Hab dich nicht so, steh auf, du schaffst das schon." Aber Eric bleibt liegen. Fünf Wochen ist das Kälbchen alt, jetzt hat er einen Infekt. Eric ist der Kleinste im Stall, die anderen Bullen haben ihn getrietzt, und er hat es nicht verkraftet. Deswegen darf er jetzt mit seiner Mutter Evi alleine im Heu liegen. "Ein Kind braucht seine Mama, wenn es krank ist", sagt Barbara Grellner.

 
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Doch manchmal reicht die Mama nicht. Deswegen sucht Karina Kireth den Weidehof in Prüllsbirkig auf, die Pegnitzerin ist Tierheilpraktikerin. Eigentlich wollte sie wegen Evi kommen, die Kuh bekommt Akupunktur, auch, damit sie sich von Erics Geburt erholt. Aber weil Eric gar so kränkelt, behandelt Kireth ihn gleich mit.

Ergänzung zur klassischen Medizin

Tierheilpraxis? Das klingt für viele nach Quacksalberei. Die Grellners aus Prüllsbirkig aber schwören auf diese Art, ihre Tiere behandeln zu lassen. "Wir haben natürlich auch einen konventionellen Tierarzt", sagt Barbara Grellner. Aber die Tierheilpraktikerin ergänzt die klassische Medizin. Und Barbara Grellner ist sich sicher: "Den Tieren hilft's." 

Karina Kireth erklärt ihren Beruf. "Tierheilpraxis hilft, das Immunsystem zu stärken." Also: vorbeugen statt heilen. Und wenn's ein Tier doch erwischt, dann hilft die Tierheilpraxis dabei, die Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Globuli statt Antibiotika. "Aber man muss erkennen können, wann eine Erkrankung zu viel ist und wann ein Tier doch in die Klinik muss."

Kein großer Tiertransport, kein Schlachthof

Die Zahl von Kireths Patienten steigt, auch Nutztierhalter wie die Grellners wenden sich öfter der Naturheilkunde zu als früher. Auf dem Weidehof in Prüllsbirkig bei Pottenstein läuft sowieso vieles anders als anderswo. Die Kälber stehen mit ihren Müttern im selben Stall. Kuh gibt es hier für Kälber - nicht für Menschen. Sind die Kälber ein Jahr alt, fährt der Nebenerwerbslandwirt Norbert Grellner sie zum Metzger, er ist Barbara Grellners Sohn. Kein großer Tiertransport, kein Schlachthof. Und keine Barbara Grellner. "Ich geh immer rein, wenn die Kälber wegkommen, ich kann das nicht sehen", sagt sie. Den Umgang mit Tieren liebt Barbara Grellner, den Abschied von ihnen verkraftet sie nicht.

Es ist die Tierliebe, die Barbara Grellner mit Karina Kireth verbindet. Nach dem Abitur studierte Kireth in Bayreuth Anglistik und Romanistik. Erst mal was Gescheites lernen, dachte sie sich. Und wusste doch: Ich will Tierheilpraktikerin werden. Erst nach dem Studium traut sie sich, diesen Schritt zu gehen. Naturheilkunde, das war schon immer ihr Ding. "Ich habe mich schon als Kind für Heilkräuter interessiert. Da hab ich Kräutertees und Tinkturen gebraut." 

Tierische Zufriedenheit

Tiere statt Sprachwissenschaft, Kireth hat diese Entscheidung noch nie bereut. Nachdem sie die feinen Akupunkturnadeln aus Evis Rücken geholt hat, zündet Kireth eine Kräuter-Zigarre an. Mit der hat sie Evi schon in der vergangenen Woche behandelt, und Barbara Grellner war begeistert von der Wirkung: "Danach war die Evi richtig entspannt und trotzdem lebendig."

Eric lässt den Kopf aufs Heu sinken. Karina Kireth fasst ihm unters Kinn, spritzt ihm eine Tinktur ins Maul. Dem kleinen Bullen fallen die Augen zu. "Ich beobachte oft, wie die Tiere sich bei der Behandlung entspannen, das ist schön zu sehen", sagt Kireth.

Ob es an der Kräuterzigarre, an den Globuli oder an dem duftenden Heu im Stall liegt, weiß niemand. Aber: Im Kuhstall der Grellners ist es still. Keine Kuh muht, man hört die Tiere nur kauen. So muss sich tierische Zufriedenheit anhören.

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