Haus Marteau: Atmosphäre unschlagbar

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Der neue künstlerische Leiter von Haus Marteau: Christoph Adt. Foto: red Foto: red

Er ist der neue künstlerische Leiter der Musikbegegnungsstätte Haus Marteau in Lichtenberg und ab 1. Oktober Präsident der Hochschule für Musik in Nürnberg. Im Interview spricht Christoph Adt über die besondere Atmosphäre von Haus Marteau, den neuen Konzertsaal und die Ausbildung an Musikhochschulen.

 
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Herr Adt, welche Instrumente spielen Sie selbst?

Christoph Adt: Ich komme von der Geige und vom Gesang.

Sie sind im Großraum Stuttgart aufgewachsen. Wann haben Sie zum ersten Mal von Haus Marteau gehört?

Adt: Ich wurde 1983 erstmals mit Haus Marteau konfrontiert, als mir eine Mannheimer Klavierprofessorin sagte, ich solle da mal hingehen. Es kam aber leider nicht dazu.

Wann waren Sie zum ersten Mal in Lichtenberg?

Adt: Ich habe das Haus im Herbst 2016 kennengelernt. Man muss die Atmosphäre des Hauses kennen, um damit künstlerisch umgehen zu können. Ich habe mittlerweile mit vielen Dozenten gesprochen. Die sind alle glücklich darüber, dass jetzt ein Saal gebaut wird. Aber sie legen auch alle Wert darauf, dass sie in dem Erdgeschoss-Saal bleiben können. Die Atmosphäre dort ist unschlagbar. Der Saal im Erdgeschoss wird weiterhin genutzt. Natürlich hoffen wir, dass der neue Saal akustisch fantastisch sein wird.

Wie groß wird er sein?

Adt: Er bietet knapp 100 Personen Platz. Der Saal wird nahezu vollständig unter der Erde sein, damit sich der Park in seiner Wirkung nicht verändert. Der Neubau wird über das Untergeschoss der Villa Marteau erreichbar sein. Ich bin froh, dass ich in dieser Phase des Baus dazugestoßen bin. Das Ganze wird ein zusammenhängendes System werden. Man könnte sich denken, dass zwei Kurse gleichzeitig stattfinden, einer im Saal und einer in der Villa. Wir haben großen Wert darauf gelegt, dass es möglich ist, einen Flügel vom Erdgeschoss in den neuen Saal reinzubringen

Wie würden Sie die Atmosphäre in der Villa beschreiben?

Adt: Ich habe das leere Haus öfter erlebt und war beim Henry-Marteau-Wettbewerb. Das war ganz stark auf das künstlerische Erleben fokussiert. Es herrschte eine warmherzige Atmosphäre, aber immer geprägt von einem hohen künstlerischen Anspruch. Hier scheint eine Atmosphäre zu sein, die das begünstigt.

Für welche Besetzungen eignen sich die Säle?

Adt: Der jetzige Saal ist für Solisten oder zwei Klaviere geeignet. Auch einen Quartettkurs kann man sich da gut vorstellen. In dem neuen Saal werden auch größere Besetzungen möglich sein.

Wie wird Haus Marteau in der Musikwelt wahrgenommen?

Adt: Die künstlerisch exzellente Ausstrahlung in die Welt des Hauses Marteau ist gut gelungen. Die Ausstrahlung in die Region hat noch Luft nach oben, da sollte noch etwas passieren – etwa durch eine Konzertreihe, die auch in der Region beworben wird.

Werden Sie am Gesamtkonzept etwas verändern?

Adt: Das Konzept ist hervorragend, aber wir sind am diskutieren, wie wir die Region noch mehr dafür interessieren können. Das eine ist die weiterhin absolute künstlerische Exzellenz, die andere Richtung könnte mehr familienorientiert sein. Aber dieser Gedanke ist noch nicht sehr ausgegoren. Bei den Dozenten wird weiterhin auf Weltklasseniveau geachtet.

Wie finden Sie die richtigen Studenten?

Adt: Das Haus ist so bekannt, dass sich sehr gute Studierende von sich aus interessieren. Beim Henry-Marteau-Wettbewerb haben in der ersten Runde 106 Künstler aus mehr als 20 Ländern gespielt. Das sind Botschafter.

Die vergangenen 19 Jahre waren Sie Professor für Dirigieren an der Musikhochschule in München. Sehen Sie bei einem Schüler in der Aufnahmeprüfung sofort, ob er es kann?

Adt: Ich glaube, es gibt drei Kategorien. Bei einigen sieht man eindeutig, das ist toll. Bei anderen weiß man, das hat keinen Sinn. Interessant ist das Mittelfeld, wo man sich nicht sicher ist. Wir sind in der Jury fünf Leute. Meistens sind wir uns einig. Und wenn nicht, wird lange darüber geredet.

Gibt es objektive Kriterien?

Adt: Es gibt objektive Kriterien, die damit zu tun haben: Wie spielt er auf dem Tasteninstrument? Wie denkt er harmonisch, wenn er aus dem Klavierauszug spielt und singt? Macht er dabei Musik oder nicht? Das ist total banal. Da ist vieles sehr schnell eindeutig. In einem Dirigierlehrbuch aus dem 1940 schreibt ein Hornist der Münchner Philharmoniker, dass der Weg von der Tür zum Pult zur Bewertung eines neuen Dirigenten ausreicht. Das ist natürlich zynisch. Und trotzdem ist da was Wahres dran.

Wie definieren Sie für sich das Dirigieren?

Adt: Für mich ist dirigieren, hörend zu leiten. Also sowohl leiten durch hören, aber auch leiten während man hört. Das Hören hat mehrere Funktionen. Ich habe jetzt ein Projekt in Bad Wörishofen mit jungen Leuten unter 20 Jahren. Die sind alle fantastisch, aber mit Wedeln erreichen Sie gar nichts.

Der Konzertmeister des Bayreuther Festspielorchesters, Matthias Wollong, hat in diesem Sommer in einem Kurier-Interview beklagt, dass viele Spitzenorchester Nachwuchsprobleme haben und die Musikhochschulen viel zu weltfremd seien und am Bedarf vorbei ausbilden würden.

Adt: Ich erlebe das auch so. Ich war ja ein paar Jahre lang Chefdirigent eines C-Orchesters, der Bad Reichenhaller Philharmonie. Und auch wir hatten Mühe, bei den Streichern adäquaten Nachwuchs zu finden. Ich denke, dass der richtige Weg ist, dass es eine ganz große Nähe der Dozierenden zum Orchester geben muss. Ich komme von der Hochschule in München, wo der Prozentsatz der Studenten, die eine Stelle kriegen, sehr hoch ist. Die Absolventen dieser Hochschule bekommen ein Riesenstück vom Kuchen ab. Wir haben Lehrer, die haben bei den Studenten eine Erfolgsquote von fast 100 Prozent. Einige von ihnen spielen selbst noch im Orchester. Und dann klappt es auch, einfach weil es praxisnah ist. Der Vorwurf mit dem Elfenbeinturm ist leider nicht ganz aus der Luft gegriffen. Aber ich kann auch sagen: Wir haben in Deutschland in den Orchestern unglaublich motivierte Musiker.

Wie sieht denn die Erfolgsquote der Nürnberger Hochschule aus?

Adt: Unser gemeinsames Ziel ist, dass die Hochschule erfolgreich ist. Alle sind im Boot und so arbeiten wir miteinander. An einigen Stellen werden wir sicherlich das Profil schärfen. Wir ziehen ja nach der Sanierung wieder in das alte und jetzt wundervoll neue Haus in der Veilhofstraße. Das ist ein großes Pfund, mit dem man wuchern kann. Die Qualität einer Hochschule definiert sich über die Berufsfähigkeit ihrer Absolventen. Das ist auch bei uns der Anspruch.

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