Flicks Zukunft wird derweil schon als Nachfolger von Bundestrainer Joachim Löw beim DFB verortet. „Der Verein weiß Bescheid, die Mannschaft weiß jetzt auch Bescheid, das war mir wichtig“, sagte er zum gewünschten vorzeitigen Bayern-Abschied. Er wirkte nach Wochen, „die für mich nicht ganz easy waren“, wie von einer Last befreit.
Eine längere Schauspielerei rund um seine Zukunft mochte sich der 56-Jährige nach der Vorentscheidung im Meisterschaftsduell mit Verfolger Leipzig nicht länger zumuten. Er nutzte den Moment, um für sich einen Schlussstrich unter eine aufregende, erfolgreiche, aber auch kraftraubende und nun erstaunlich kurze Bayern-Ära zu ziehen.
Eigentlich sollte erst nach der Woche mit den Spielen in Wolfsburg, am Dienstag gegen Leverkusen und am Samstag in Mainz kommuniziert werden, was Flick dem Verein nach dem Champions-League-Aus in Paris mitgeteilt hatte. So sei es „vereinbart“ gewesen, um den Fokus auch im Interesse des Trainers ganz auf den Titelkampf legen zu können, wie der Verein in seinem Statement ausdrücklich hervorhob.
Den Schwarzen Peter schob er seinen Bossen zu
Flick verstieß gegen die Abmachung, weil er den „Flurfunk“ an der Säbener Straße fürchtete. „Es war wichtig, dass die Mannschaft das Ganze von mir erfährt, weil wir knapp eineinhalb Jahre sehr gut zusammengearbeitet haben“, erläuterte er. Die Spieler sind seine größten Verbündeten - und sollen es auch bis zum Ende bleiben: „Wir haben noch ein bisschen was vor in den fünf Spielen. Wir wollen den fünften Stern auf den Trikots“, äußerte Alleingänger Flick. Der fast gewonnene 30. Meistertitel zu Bundesliga-Zeiten ist dafür nötig.
Flick unterrichtete das Team um Matchwinner Jamal Musiala (2 Tore) sowie den zum 2:1 erfolgreichen Eric Maxim Choupo-Moting direkt nach dem Abpfiff in der Kabine. „Es ist für uns als Mannschaft sehr traurig und hat auch die meisten Spieler von uns überrascht“, sagte Kapitän Manuel Neuer und ergänzte: „Wir haben zusammen die erfolgreichste Bayern-Zeit überhaupt ins Leben gerufen.“ Neuer bezeichnete Flick sogar als „besten Trainer der Welt“.
Den Schwarzen Peter schob er seinen Bossen zu, allen voran Flicks Intimfeind Hasan Salihamidzic und auch dem künftigen Vorstandschef Oliver Kahn. Die Vereinsführung hatte die Entfremdung des Trainers unterschätzt. Nur der am Jahresende scheidende Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge (65) kämpfte öffentlich um Flick. Dessen Konflikt mit Sportvorstand Salihamidzic wurde nicht ausgeräumt.
„Anders war es nicht mehr zu lösen, das Tischtuch war zerschnitten. Er hat häufig Hilferufe losgelassen, keiner hat ihn erhört“, befand Sky-Experte Lothar Matthäus am Sonntag zum Vorstoß des Trainers.
„Hansi Flick weiß, was er will und wie er arbeiten möchte“, sagte Neuer im ZDF. Fakt ist: Weitermachen wie zuletzt - gerade auch mit Salihamidzic - wollte er nicht. Flicks vorgezogene Abschiedsworte ließen tief blicken. Er werde dem Verein und den Verantwortlichen, „ob es der Kalle (Rummenigge), ob es Uli (Hoeneß) war oder Herbert Hainer, ewig dankbar sein“ dafür, dass sie ihm im November 2019 erst auf Zeit und dann dauerhaft das Vertrauen geschenkt hätten, eine super Mannschaft anleiten zu dürfen. Der Name Salihamidzic fiel in Flicks Aufzählung nicht.
Ein Gewinner des Wochenendes ist der DFB
Flick sagte dem Team, „dass er auch sehr viel Energie gelassen hat in den extrem intensiven eineinhalb Jahren“, wie Thomas Müller verriet. Dass der einstige Bayern-Fan Flick („Gerd Müller, Paul Breitner, Kalle Rummenigge waren meine Idole“) von sich aus gehen will, ist Resultat „reiflicher Überlegung“, wie er sagte: „Es sind Dinge, die in der Entwicklung so entstehen.“ Die Gründe blieben aber „intern“.
Die Bayern verlieren einen Coach, der bis vor kurzem noch ideal zu passen schien. Nun geht der Blick nach Leipzig, wo in Nagelsmann (33) der logisch erscheinende Nachfolger arbeitet. Nagelsmann lässt sich von der Agentur „Sports360 GmbH“ beraten, die übrigens auch den von Leipzig nach München wechselnden Abwehrspieler Dayot Upamecano zu ihren Klienten zählt. Andere Nachfolgekandidaten dürften erst ins Spiel kommen, wenn Kahn, Salihamidzic oder der im Hintergrund aktive Ehrenpräsident Uli Hoeneß die Toplösung nicht realisieren können. Eine Millionen-Ablöse würde für Nagelsmann vermutlich auch fällig.
Ein Gewinner des Wochenendes ist der DFB. Nationalelf-Direktor Oliver Bierhoff könnte nun den Löw-Nachfolger bekommen, den er aus den gemeinsamen DFB-Jahren mit dem WM-Titelgewinn 2014 als Höhepunkt bestens kennt und schätzt. Der DFB hatte ausgeschlossen, an Trainer mit bestehenden Verträgen heranzutreten. Aber bei Flick verändern sich die Voraussetzungen gerade. „Die Zukunft ist überhaupt nicht klar. Es gab auch noch kein Gespräch, was das Thema Bundestrainer betrifft“, versicherte Flick. „Natürlich ist der DFB eine Option, die sich jeder Trainer überlegen muss“, sagte er aber auch.
Flick könnte viele Bayern-Profis damit schon bald wieder trainieren. Sein Freund und langjähriger Wegbegleiter Löw gab die Richtung bei der Suche nach seinem Nachfolger erst vor wenigen Tagen vor: „Das muss Hansi selbst entscheiden, ob er das machen möchte oder nicht.“