Haft für Ausreiseversuch in Terrorcamp

Der 27 jährige Arthur A. steht am 12.05.2016 in München zwischen Justizangestellten, Polizisten und seinem Anwalt. Dem mutmaßlichen Islamisten wird vorgeworfen, seine Ausreise in ein Terrorcamp des syrischen Bürgerkrieges geplant zu haben. Archivfoto: Peter Kneffel/dpa Foto: red

Das Gericht ist überzeugt: Der Mann wollte in den Dschihad ziehen. Urteil: Zweieinhalb Jahre. Der Anwalt will den Fall nun bis vors Bundesverfassungsgericht bringen. Er hält die neue Terrornorm, die schon die Ausreise unter Strafe stellt, für nicht verfassungsgemäß.

 
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Das Münchner Landgericht hat einen mutmaßlichen Dschihadisten zu zweieinhalb Jahren Haft wegen versuchter Ausreise in ein Terrorcamp verurteilt. Der 27-Jährige habe nach Syrien reisen wollen, um sich dort dem bewaffneten Kampf anzuschließen, sagte der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann am Donnerstag.

Der Angeklagte, der in München geboren und deutscher Staatsbürger ist, sei einmal in die Türkei geflogen und habe ein weiteres Mal den Flug dorthin geplant, «um weiter zu reisen nach Syrien, um dort in einem Ausbildungslager eine militärische Ausbildung zu bekommen». Er habe sich am Dschihad beteiligen wollen. Dass der Mann zum Besuch einer Koranschule, der Liebe wegen und als Flüchtlingshelfer in die Türkei wollte, halte er für eine «Schutzbehauptung», sagte Riedmann. Angehörige und Freunde hatten das ausgesagt. Der Mann habe diesen aber wohl nicht gerade «auf die Nase gebunden», was er wirklich vorhatte. Riedmann zitierte unter anderem aus einem Facebook-Eintrag des Angeklagten: «Ich habe beschlossen zu sterben, um zu leben.» Und: «Die Abkürzung zum Paradies ist der Dschihad im Namen Allahs.»

Ein neuer Absatz (Paragraf 89a, 2a) im Strafgesetzbuch stellt seit Juni vergangenen Jahres bereits den Versuch der Ausreise als «Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat» unter Strafe. Das Gericht musste somit klären, was der Mann getan hätte - wenn er nicht beim Versuch der Ausreise am 10. Oktober 2015 am Münchner Flughafen festgenommen worden wäre. Es war einer der ersten Prozesse bundesweit nach dem neuen Straftatbestand.

Staatsanwalt Florian Weinzierl hatte fünf Jahre Haft gefordert. Anwalt Adam Ahmed hatte hingegen Freispruch verlangt oder ein Jahr Haft ohne Bewährung, sofern das Gericht eine strafbare Handlung sehe.

Ahmed kündigte Rechtsmittel an - nicht vordringlich wegen der Strafhöhe, sondern um die Rechtslage bis vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen. «Man muss Revision einlegen, wenn man die Verfassungsmäßigkeit überprüft haben will.» Ahmed hatte zum Auftakt des Prozesses gesagt, die Norm sei unverhältnismäßig, enthalte eine Bündelung unbestimmter Begriffe sowie ein unzulässige Vorverlagerung. «Hat er die Tat schon unternommen, indem er sich ein Ticket kauft – oder in dem Moment, in dem er sagt: Ich werde gleich ein Ticket kaufen?»

Er habe selten eine «Beweislage erlebt, die so dünn war wie hier», sagte Ahmed. «Man hat nichts. Man hat nur die Chatverläufe. Man kann diesen Schluss ziehen, aber man muss nicht.» Ankläger Weinzierl wertete zugunsten des Angeklagten dass «die Tat in frühester Phase» angesiedelt sei. Er sei aber überzeugt, dass sich der 27-Jährige der radikalislamischen Al-Nusra-Front oder einer kooperierenden Gruppe anschließen und den Umgang mit Waffen und Sprengstoffen lernen wollte. «Welche humanitäre Hilfe hätte er denn leisten wollen?», sagte Weinzierl. Der zehnfach vorbestrafte, berufs- und arbeitslose Mann könne «eigentlich überhaupt nichts - außer sich bewaffneten Kämpfen anzuschließen». Bisher gab es nach dem neuen Recht auch schon einen Prozess in Potsdam, der mit Freispruch endete. Derzeit läuft zudem ein Verfahren in Köln.

dpa

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