Gute Idee Wie Jugendliche im Landkreis mitreden können

  Foto: Matthias Bäumler (14)

Die jungen Leute sind passiv, daddeln nur am Handy. Vorurteile wie diese widerlegt das Beispiel Wunsiedel. Was läuft hier anders?

 
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Man nehme 150 000 Euro und lasse junge Leute entscheiden, was sie damit anstellen. Heraus kommen Ideen, die es in sich haben. So zumindest ist es im Landkreis Wunsiedel der Fall, wie Svenja Faßbinder von der Kommunalen Jugendarbeit des Kreisjugendamtes berichtet.

Was ist geschehen? Es ist Ende 2022, als Svenja Faßbinder vom Zukunftspaket für Bewegung, Kultur, und Gesundheit erfährt. Damit überrumpelt sie Landrat Peter Berek förmlich, der die Bewerbung für das Zukunftspaket auf gut Glück unterschreibt. Und damit dazu beiträgt, vielen Kindern und Jugendlichen im Landkreis quasi nebenbei Herzenswünsche zu erfüllen. Das Programm beschert dem Landkreis 150 000 Euro.

23 Projekte, die zeigen, wie die Jugend tickt

Mit dem Geld finanziert die Kreisjugendpflege 23 Projekte von Jugendlichen aus dem gesamten Landkreis, die so verschieden sind wie die Mädchen und Jungen. Die Grafenreuther Jugendlichen statten mit dem Geld zum Beispiel das Dorfgemeinschaftshaus mit einem Kicker und einem Airhockey-Spiel aus, um dieses auch der jungen Generation schmackhaft zu machen. Die Lebenshilfewerkstatt nutzte das Geld für einen „Drums-alive-Workshop“ Die jungen Mitarbeiter der Werkstatt führen ihre Choreo mittlerweile bei vielen Gelegenheiten auf und zeigen, wie auch Behinderte mit heißen Rhythmen das Blut der Zuschauer in Wallung bringen. In Niederlamitz wiederum belebt eine Gruppe Jugendlicher einen alten Bolzplatz. Sie pflanzen Rasen an, bauen eine Hütte als Treffpunkt und veranstalten sogleich ein Gauditurnier. Ähnliche Beispiele, wie Jugendliche anpacken und zeigen, wie kreativ und engagiert sie sind, gibt es im gesamten Landkreis.

Junge Leute entscheiden selbst

Für Svenja Faßbinder Grund genug, zu überlegen, ob es möglich ist, dauerhaft ein – kleineres – Budget für Jugendprojekte einzurichten. Was sie im Jugendhilfeausschuss Kreisräten und Vertretern sozialer Organisationen vorstellt, beeindruckt alle Mitglieder. „Uns schwebt ein jährliches Forum vor, das die Entscheidung über die Finanzierung von Projekten fällt.“ Die Entscheider seien die jungen Leute selbst, die sich bei dem Event über die Vorschläge austauschen und beraten. Am Ende stimmen sie ab, was aus dem Budget gefördert werde. Da der finanzschwache Landkreis keine 150 000 Euro zur Verfügung stellen kann, schlagen die Jugendpfleger ein Budget von 15 000 Euro vor. Dazu sollten 5000 Euro kommen, die durch Umstrukturierungen im Haushalt der Kinder- und Jugendpflege möglich sind.

Mit dem Forum und den Zuschüssen für Projekte will die Jugendpflegerin das Engagement der jungen Leute fördern und diesen so vermitteln, wie Demokratie funktioniert.

Es muss nicht immer viel Geld sein

Dass nicht immer riesige Summen notwendig sind, um die Wünsche der Jugendlichen zu erfüllen, zeigt das Beispiel aus diesem Jahr. „Wir finanzierten Projekte von 750 bis zu 23 000 Euro. Im Durchschnitt kosteten sie um die 3000 bis 5000 Euro.“

Dabei handelt es sich beileibe nicht um schnöden Konsum. Alle 23 Beispiele beweisen, wie viel ehrenamtliche Arbeit die Jugendlichen leisteten. „Je mehr Geld notwendig war, desto mehr Eigenleistung war notwendig.“

Damit nicht genug. Svenja Faßbinder und mit ihr viele junge Leute wollen nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch über Jugendbelange mitreden. „Sie sind immerhin die besten Experten dafür“, sagt die Jugendpflegerin. Dafür sollte der Kreistag in der jeweils letzten Sitzung im Jahr Jugendlichen ein Rederecht einräumen. „Damit können wir Mädchen und Jungen für Politik begeistern.“

Da Kreisräte sich normalerweise in streng geordneten rechtlichen Bahnen bewegen, ist es kein Wunder, dass im Jugendhilfeausschuss die Frage aufkommt, wie dies formell geregelt werden kann. Svenja Faßbinder hält Formalien für hinderlich. „Besser ist es, wenn sich so etwas entwickelt. Wir schaffen den Rahmen, ähnlich dem des Zukunftspakts. Diesen werden die Jugendlichen selbst ausfüllen. Ich glaube, darauf sollten wir vertrauen.“

Jugend für das Fichtelgebirge begeistern

Welch realistische Forderungen und Wünsche Jugendliche haben, zeigt sich seit Jahren bei den „Denk-mit-Konferenzen“. Diese veranstalten die Kommunen, während die Kreisjugendpflege die Organisation übernimmt. Unter anderem in Selb, Wunsiedel oder auch Nagel hat in den zurückliegenden Jahren der Nachwuchs getagt und erörtert, welche Angebote für junge Leute notwendig sind. „Dieses auf Kommunen zugeschnittene Format wird es natürlich auch in Zukunft geben.“ Letztlich, so Svenja Faßbinder, sei es wichtig, den Jugendlichen Raum für Engagement zu geben. Dies trage letztlich dazu bei, dass sich die jungen Leute nicht nur ernst genommen fühlen, sondern sich auch weiterhin beteiligen wollen – bestenfalls auch als Erwachsene. Zudem binde es die Jugendlichen auch emotional an die Region Fichtelgebirge.

Die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses sind jedenfalls von den Vorschlägen der Jugendpflegerin angetan und empfehlen dem Kreistag einstimmig, in der kommenden Sitzung nicht nur einen Slot für das Rederecht Jugendlicher einzuführen, sondern auch ein Budget für Projekte zu schaffen.

Laut Svenja Faßbinder hat sich bei der jüngsten Jugendumfrage herausgestellt, dass sich der Nachwuchs vor allem folgende Dinge wünscht: Attraktive Treffpunkte, Angebote für Bewegung und Kultur sowie besser ausgestattete Jugendräume.

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