Thema NSA-Affäre: Im Namen der Sicherheit

Von Jochen Wittmann

Großbritannien hat zur Zeit ein Imageproblem. Die NSA-Affäre lässt das Land in keinem guten Licht dastehen. Da werden im Namen der Sicherheit en masse private Daten gesammelt, da wird ein Anti-Terror-Gesetz missbraucht, um einen Journalisten einzuschüchtern. Da droht man einer Zeitung mit Repressalien, da wird mit vorauseilender Zensur hantiert, um die Veröffentlichung unangenehmer Berichte zu verhindern. Der britische Staat scheint sich aufzuführen, wie man das von Ländern wie Russland erwarten würde. Dabei behauptete doch gerade England, die Wiege der Bürgerrechte in Europa zu sein.

 
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Es war vor 318 Jahren, als das britische Parlament die Zensur abschaffte – und das Königreich wurde damit das erste Land, in dem die Ideale der Aufklärung triumphierten. Was immer vergessen wird, ist ein spezifischer Zug des britischen Nationalcharakters: der Pragmatismus. Es ist eine Geisteshaltung, wo fünf auch mal gerade sein kann, wo es nicht so darauf ankommt, wo es wichtiger ist, ein gutes praktisches Ergebnis zu erzielen, auch wenn das bedeutet, dass man gewisse Prinzipien missachtet.

Und eine solche Geisteshaltung ist so ziemlich genau das Gegenteil eines strikten Moralismus, eines Denkens und Handelns von ersten Prinzipien aus, zu dem wiederum die Kontinentaleuropäer neigen. Dieser Gegensatz zeigt sich im britischen Rechtssystem, das im Unterschied zum Kontinent nicht auf der starren Logik des Römischen Rechts, sondern auf den sich wandelnden Konventionen des Gewohnheitsrechts gegründet ist. Und es zeigt sich in den Aktionen einer Exekutive, die mal eben ein Anti-Terror-Gesetz bemüht, um die Pressefreiheit anzugreifen, weil, und das ist der Punkt, sie ein höheres Gut, die öffentliche Sicherheit, in Gefahr sieht.

Ist es nicht eine Ungeheuerlichkeit, dass in einem europäischen Land die Regierung den Medien verbieten kann, über ein bestimmtes Thema zu berichten? Überall sonst gälte das als Zensur, aber im Königreich regt man sich darüber nicht groß auf, weil es eben um die nationale Sicherheit geht und man dem Staat vertraut, damit kein Schindluder zu treiben. Zudem kommt es selten vor. Es stimmt schon: Schön ist es nicht, wie sich die britische Regierung in der NSA-Affäre verhalten hat, aber es ist nicht typisch und dürfte eine Ausnahme bleiben. Hoffentlich. Ansonsten müsste man sich wirklich Sorgen machen.