Gesundheitsschutz Landkreis Wunsiedel ist Radon-Vorsorgegebiet

Gaben gemeinsam den Startschuss für das Pilotprojekt „Radon-Vorsorgegebiet“ (von links): Umweltminister Thorsten Glauber, Landtagsabgeordneter Martin Schöffel, Landrat Peter Berek und Eva Bayreuther, die die Projektstelle leitet. Foto: Gerd Pöhlmann

Der Landkreis Wunsiedel soll eine Vorreiterrolle im Gesundheitsschutz einnehmen. Ein Pilotprojekt sammelt mehrere Jahre Daten zur Ausbreitung des Edelgases.

 
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Wunsiedel - Der Landkreis Wunsiedel ist seit dem 11. Februar per Allgemeinverfügung Radon-Vorsorgegebiet. Das einzige in Bayern. Begleitend zur Festlegung als Radon-Vorsorgegebiet startet das Landesamt für Umwelt (LfU) im Landkreis ein neues Pilotprojekt zu Radonmessungen am Arbeitsplatz. Ziel ist es, die Datenlage zu verbessern und weitere Informationen zu sammeln. Hierzu können Arbeitgeber die Messergebnisse ihrer Radonmessungen und weitere Daten zu den jeweiligen Gebäuden und Arbeitsplätzen übermitteln. Mit Übermittlung der Daten kann eine Kostenerstattung für die Radonmessungen am Arbeitsplatz beantragt werden. Die Anlaufstelle am Landratsamt betreut Umweltphysikerin Eva Bayreuther.

Wie Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber am Freitag bei einem Termin im Landratsamt Wunsiedel erläuterte, soll das Pilotprojekt bis 2023 laufen. „Auftrag ist es, Gesundheitsvorsorge in Zusammenhang mit Radon zu erarbeiten“, sagte Glauber. Die Erkenntnisse aus Wunsiedel sollen helfen, Vorsorgebedarf zu erkennen, und gleichzeitig Hilfestellung im Umgang damit geben. „Denn Radon ist lungengängig und kann Krebs verursachen“, sagte Thorsten Glauber.

Ausweisung bis Ende 2020

Hintergrund ist, dass die Bundesländer durch das Strahlenschutzgesetz verpflichtet waren, bis Ende 2020 Radon-Vorsorgegebiete auszuweisen. Grundlage der Ausweisung in Bayern sind zwei Prognosekarten des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) von 2017 und 2020 und eigens durchgeführte Bodenluftmessungen, die vom LfU beauftragt wurden. In Radon-Vorsorgegebieten ist nun zu erwarten, dass ein bestimmter Prozentsatz an Gebäuden den Strahlungs-Grenzwert von 300 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft überschreiten wird. Das wird im Fichtelgebirge gegeben sein – einfach aufgrund der Geologie. Radon, ein natürlich vorkommendes Edelgas, entsteht beim radioaktiven Zerfall von Uran. Uran wiederum kann sich durch geologische Prozesse in Graniten anreichern. Fichtelgebirgsgranite weisen durchschnittlich eine Uran-Konzentration von 40 Milligramm pro Kilogramm (ppm) auf. Andererseits gibt es Gegenden in Bayern, deren Gesteine eine ähnlich hohe, wenn nicht höhere Konzentration aufweisen. Hier hilft der Blick auf eben jene Prognosekarte des BfS: Für das Voralpenland, den Großraum München, den Bayerischen Wald oder den Oberpfälzer Wald sieht die Behörde eine ähnliche Gefährdung.

Mehr als 2300 Messpunkte

Warum nun Bayern ausgerechnet nur einen Landkreis als Radonvorsorgegebiet ausgewiesen hat – und nicht, wie der Freistaat Sachsen etwa das komplette Erzgebirge – begründet Minister Glauber mit fehlenden Daten: „Wir haben nicht die gleiche Datenlage vorgefunden wie der Bund. Deswegen haben wir keine Vorsorgegebiete ausgewiesen.“ Das Bundesamt für Strahlenschutz selbst spricht von repräsentativen Messdaten. Basis seien mehr als 2300 Messpunkte gewesen, die je nach Geologie und zu erwartender Radon-Konzentration mal mehr, mal weniger eng beieinanderlagen. Laut Ministerialrat Dr. Markus Trautmannsheimer fehlen in Bayern Erkenntnisse durch Bodenluftmessungen. Im Landkreis Wunsiedel dagegen sei die Lage eindeutig gewesen. „Die Radon-Konzentration in der Bodenluft im Landkreis Wunsiedel ist historisch bedeutend hoch“, sagte Trautmannsheimer. „Wir sind sehr zuversichtlich, hier viel Wissen und Daten sammeln zu können, um später weitere Vorsorgegebiete festlegen zu können.“

Noch keine finanzielle Lösung

Der Freistaat fördert die Personalkosten des Projekts, insgesamt 120 000 Euro, zu 90 Prozent. Den Rest trägt der Landkreis. Außerdem werden Messungen in den Unternehmen bezuschusst. Das geschieht im Allgemeinen durch Exposimeter, die für ein Jahr aufgestellt werden müssen. Gewerbebetriebe, Kommunen und Vermieter sind verpflichtet, in ihren Liegenschaften die Radon-Strahlung zu messen. Sollte der Grenzwert überschritten werden, müssen sie für Abhilfe sorgen. „Das ist kein Hexenwerk“, sagte Glauber. „Allein durch richtiges Lüften kann man viel erreichen.“ Der Minister verhehlte jedoch nicht, dass Verantwortliche möglicherweise auch bauliche Veränderungen würden vornehmen müssen. Auch in dem Fall sei die Bandbreite an Lösungen groß: von neuen Fenstern über dichte Bodenplatten bis zur Radonabsaugung. Grundsätzlich gilt für Neubauten die Pflicht, das Eindringen von Radon ins Gebäude zu verhindern.

Finanzielle Unterstützung für Vermieter, Gewerbetreibende und Kommunen im Projekt-Landkreis Wunsiedel ist aber noch nicht in Sicht. „Wir sind mit dem Bund im Gespräch, wie die Umsetzungen der Regeln an Arbeitsplätzen gefördert werden“, sagte Minister Glauber.

Auch ein Heilmittel

Allgegenwärtig ist im Fichtelgebirge das Thema Radon für Landrat Peter Berek. Zum einen als Heilmittel in der Weißenstädter Therme, zum anderen als geruchslose und unsichtbare Gefahr bei der Trinkwasserversorgung. Nicht wenige Brunnenhäuser müssten vor dem Betreten gelüftet werden, damit das Edelgas entweichen kann. „Wir kennen das Thema. Deswegen ist es wichtig, Seite an Seite mit dem Umweltministerium und den Unternehmen zu handeln“, sagte Berek. Er hoffte, den Erkenntnisgewinn aus dem Fichtelgebirge für ganz Bayern nutzbar machen zu können. „Wir bringen den Gesundheitsschutz voran, darauf können wir schon ein bisschen stolz sein“, sagte der Landrat. Mit Eva Bayreuther stehe allen Betroffenen und Interessierten im Landkreis eine kompetente Ansprechpartnerin zur Seite.

„Es gibt zwar derzeit keine Kenntnis über die Häufung von Lungenkrankheiten im Fichtelgebirge, aber wir wollen die Menschen dennoch vor hohen Strahlungen schützen“, machte Landtagsabgeordneter Martin Schöffel deutlich. „Das Thema geht von hier aus nach ganz Bayern.“

Gefährlich sind die Tochternuklide
Das Edelgas Radon an sich ist nicht gefährlich. Es wird ein- und wieder ausgeatmet. Tückisch sind die beim Zerfall von Radon entstehenden Tochternuklide wie Polonium oder Wismut. Diese Schwermetalle binden sich an Aerosole und gelangen so in die Lunge. Bei ihrem Zerfall setzen sie Alpha-Strahlung frei, die das Lungengewebe schädigen können. Bekannt ist das Phänomen bereits seit dem 16. Jahrhundert als „Schneeberger Krankheit“. Schon damals litten auffällig viele junge Bergleute aus dem Erzgebirge an Lungenkrankheiten – die sich erst sehr viel später als Lungenkrebs herausstellen sollten. Doch das Edelgas Radon wird auch in der Schmerztherapie eingesetzt, etwa in den Thermen in Weißenstadt und Bad Steben. Die Radon-Exposition dort ist sehr gering. Die Strahlungen, denen die Patienten dort ausgesetzt sind, sind um ein Tausendfaches geringer als in den Bergwerken.

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