Bewegende Erinnerungen des Sohnes
Eine unterhaltsame Geschichte mit einigen drastischen Sexszenen - und einer gelungenen Schlusspointe. Den Nachnamen der Ehefrau auf Abwegen hat der Meister des Magischen Realismus wohl nicht zufällig gewählt, denn es geht auch um Musik, um Debussys "Clair de Lune" in einer Bolero-Bearbeitung, um Brahms, Mozart und Schubert. Weniger melodisch ist der Text an sich, an einigen Stellen wirkt er auf Deutsch gar etwas holprig. Passagen, die so wunderschön geschrieben sind, dass man sich - wie in "Gabos" Klassikern - die Seitenzahlen hinten im Buchdeckel notiert, sucht man vergebens.
In seinem Erinnerungsband, der am Donnerstag erstmals auf Deutsch erscheint, schreibt Rodrigo García, wie sehr sein Vater in seinen letzten Lebensjahren unter Demenz litt. Bewegend die Trauerfeier, die drei Tage dauerte und während der die Urne, in einen gelben Seidenschal gewickelt, im Arbeitszimmer stand. "Aquí nadie llora" - hier wird nicht geweint - befahl die resolute Mutter. Jemand bemerkte, dass auch eine von García Márquez' Romanfiguren - Úrsula Iguarán aus "Hundert Jahre Einsamkeit" - an einem Gründonnerstag starb. Und fast wie im Roman lag da zur Todesstunde ein toter Vogel, der vermutlich gegen eine Glaswand geprallt war.
Es sind solche Schilderungen, die das Buch des Sohnes so lesenswert machen. Zwischen Rio Grande und Feuerland war sein Vater eine Art Popstar. Wenn er in Mexiko-Stadt ein Restaurant betrat, dann klatschte das ganze Lokal spontan Beifall. In Rodrigos Wahlheimat Kalifornien dagegen konnte García Márquez unbemerkt in den Nobelrestaurants von Los Angeles speisen. Oft erkannten ihn dort nur die Latino-Parkwächter, und manchmal schickten sie jemand los, seine Bücher zu kaufen, damit der Maestro sie nach dem Essen signierte. "Das bereitete ihm stets größtes Vergnügen", schreibt der Sohn.
Gabriel García Márquez, Wir sehen uns im August, Roman, Aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz, 144 Seiten, Hardcover, ca. 23,00 € (D), ISBN 978-3-462-00642-1
Rodrigo García, Abschied von Gabo und Mercedes. Erinnerungen an meinen Vater Gabriel García Márquez, Aus dem Englischen von Elke Link, Mit zahlreichen Abbildungen, 176 Seiten, Hardcover ca. 20,00 €, ISBN 978-3-462-00305-5