Gedenken in der Warteschleife

Von Andrea Pauly
Vier Frauen starben in Bayreuth, als sie während eines Häftlingstransportes in einem verschlossenen Zug ausharrten. Eine Tafel auf dem Stadtfriedhof erinnert an sie. Archivfoto: red Foto: red

Neun Vorschläge hat eine Kommission vor drei Jahren erarbeitet, um der Opfer des Nationalsozialismus in Bayreuth besser und würdiger zu gedenken. Manche Projekte sind bereits umgesetzt, andere gestalten sich schwieriger als gedacht.

 
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Zur Umsetzung nahm Dr. Sylvia Habermann, Leiterin des Historischen Museums, und Mitglied der Kommission, am Montag im Kulturausschuss Stellung. Sie informierte die Stadträte zu jedem einzelnen Punkt:

Deportierte und ermordete Juden:

In Absprache mit der isrealitischen Kultusgemeinde sollten an oder vor den Häusern, aus denen jüdische Bewohner deportiert wurden, Gedenktafeln angebracht werden. Das gestaltet sich schwierig: Von den einst 20 Häusern stehen nur noch 16. Von den Eigentümern meldeten sich lediglich fünf zurück, drei davon lehnen eine Gedenktafel ab. Die von Thomas Bauske (SPD) vorgeschlagene Alternative, Stadtmöbel mit Schautafeln wie in der Maxstraße zu nutzen, prüft die Stadt nach Angaben von Kulturreferent Fabian Kern bereits.

Verhungerte Kleinkinder:

Am Berliner Platz soll eine Gedenktafel auf die etwa 30 Zwangsarbeiter-Kinder hinweisen, die dort verhungerten. Darüber hat Sylvia Habermann eine Forschungsarbeit geschrieben. „Text und Entwurf liegen bei mir und sind fertig. Das Problem ist, dass es keine passenden Fotos dazu gibt“, sagte die Museumsleiterin. Sie habe lediglich eins, das nur im Notfall verwendbar sei, brauche aber zwei. Sobald diese vorliegen, könne die Gedenktafel schnell in Aufttrag gegeben werden. Auch das Geld stehe zur Verfügung.

Gedenkstein zum KZ-Außenlager:

Der Gedenkstein zum KZ-Außenlager Flossenbürg sollte vom Hagebau-Parkplatz versetzt werden. Das ist im September 2014 geschehen: Er steht nun auf einer kleinen Grünfläche zwischen Nordring und Spinnereistraße. Dazu gab es bereits zwei Beschwerden, weil sich das Arbeitslager dort nicht befunden habe. „Das ist richtig“, sagte Sylvia Habermann. „Aber wir haben alte Flurkarten verglichen: Auch der Standort am Hagebaumarkt war nicht korrekt. Die Arbeits- und Schlafräume der Häftlinge waren dort, wo jetzt Media-Markt ist.“

Weibliche Häftlinge:

Eine Tafel mit den Namen und Lebensdaten am Grab der sechs weiblichen Häftlinge aus Ravensbrück im Stadtfriedhof wurde bereits im Herbst 2014 angebracht. Zur Enthüllung gab es eine Kranzniederlegung.

Gedenkbuch:

Ein Gedenkbuch als Datensammlung ist bereits erstellt. Es umfasst 213 Personen: NS-Opfer, die aus Bayreuth stammen, dort ihren Lebensmittelpunkt hatten oder dort ums Leben kamen. Darin wurden Opfergruppen einbezogen, die bisher nicht berücksichtigt waren: die verhungerten Kleinkinder sowie Todesfälle bei Zwangssterilisationen. Ab Januar ist die Datensammlung im Museum per Touchscreen zugänglich und kann bei neuen Erkenntnissen jederzeit erweitert werden.

Verstummte Stimmen:

Die Ausstellung „Verstummte Stimmen“ im Gedenken an jüdische Festspiel-Mitwirkende ist erstellt worden und soll langfristig erhalten bleiben. Die Aluminium-Tafeln sind dafür geeignet.

Sozialdemokratischer Widerstand:

In Abstimmung mit der SPD sollte entschieden werden, wie an Friedrich Puchta und Oswald Merz als Opfer des sozialdemokratischen Widerstands gedacht wird. Dieses Thema wollte Sozialreferent Carsten Hillgruber nach Angaben von Habermann allein mit der SPD besprechen. Er ist seit August nicht mehr im Amt. An Oswald Merz erinnerte in diesem Jahr eine Gedenkausstellung, die Christoph Rabenstein aber in Privatinitiative ausgearbeitet hatte. Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe kündigte an, die Gespräche wieder aufzunehmen, ob beispielsweise im SPD-Gebäude in der Friedrich-Puchta-Straße ein Schild angebracht werden könne.

Ermordung von psychisch Kranken und Behinderten:

In Zusammenarbeit mit dem Bezirkskrankenhaus soll der Opfer der Euthanasie gedacht werden. Dort fand im Sommer 2014 eine Begehung und Besprechung statt. Der Bezirk hat bereits einen Gedenkstein im Eingangsbereich an der Cottenbacher Straße anbringen lassen.

Grundsätzliche Auseinandersetzung:

Die Auseinandersetzung der breiten Öffentlichkeit mit der Lebensgeschichte der Opfer und den politischen Verhältnissen im Nationalsozialismus war der letzte Punkt auf der Liste. Diesbezüglich könne die Stadtverwaltung aber nur sehr begrenzt etwas bewirken. „Das betrifft vor allem die Bildungsträger“, sagte Sylvia Habermann. Sie nannte das evangelische Bildungswerk, das regelmäßig Vorträge mit namhaften Referenten und neuen Themen ausarbeite.

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