Furcht vor Anschlägen im Gepäck Zwei Oberfranken bei Olympia: Die Angst reist mit nach Sotschi

Von Amelie Wollny
 Foto: red

Horst Hüttel aus Wunsiedel und Stefan Pecher aus Fichtelberg werden bei den Olympischen Winterspielen im russischen Sotschi dabei sein. Der sportliche Leiter der Skispringer und Kombinierer und der Mannschaftsarzt fahren aber mit einem unguten Gefühl, seit vor zwei Wochen 34 Menschen durch zwei Bomenbenanschläge wenige hundert Kilometer entfernt starben. Aber das blenden sie aus. Für die beiden Oberfranken geht es zwei Wochen lang um Sport, nicht um Politik. Wobei, ein bisschen schon.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Horst Hüttel war daheim im ruhigen Wunsiedel, als im fast 3000 Kilometer entfernten Wolgograd am 30. Dezember in einem Bus ein Sprengsatz laut explodierte und mehrere Menschen tötete. Jetzt hat er Angst um sein Leben. „Klar bin ich besorgt", sagt er, angesprochen auf die Anschläge in der südrussischen Stadt, bei denen Ende des vergangenen Jahres mehr als 34 Menschen getötet und 70 verletzt wurden. Unter den Toten waren auch zwei Kinder und ein Baby. Hüttels Kinder sind zwölf- und vierzehn Jahre alt. Seine Familie wird im sicheren Fichtelgebirge bleiben, wenn ihr Vater am 1. Februar für drei Wochen nach Sotschi fliegt. Mit seinem Nachwuchs habe er noch nicht so richtig über die möglichen Gefahren gesprochen. Das wäre ja auch wenig sinnführend, sagt er.

Außerdem plagen Hüttel im Moment ganz andere Sorgen: sportlicher Druck. Der Wunsiedler ist der sportliche Leiter der Skispringer und Kombinierer im Deutschen Skiverband. Bei den Nordischen Kombinierern läuft es einen Monat vor den Olympischen Spielen ganz gut. Bei den Skispringern eher nicht so, die enttäuschten am Wochenende bei der Vierschanzentournee.

Riesiger Sicherheitsapparat

700 Kilometer liegen zwischen Sotschi und Wolgograd. Nachdem sich niemand zu den Anschlägen bekannte, ist unsicher, ob sie überhaupt in Verbindung zu den Olympischen Spielen zu sehen sind. Aber: Wolgograd liegt in Nähe zur unruhigen Kaukasus-Region, vor Reisen dorthin warnt das Auswärtige Amt. Der tschetschenische Anführer Doku Umarow hatte bereits im Juli 2013 dazu aufgerufen, die Olympischen Spiele um jeden Preis zu verhindern. Hüttel weiß, dass der Deutsche Olympische Sportbund und der Verband in engem Kontakt zum Bundesministerium des Inneren und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) stehen. Das IOC vertraut voll auf die russischen Sicherheitsbehörden. Fast drei Milliarden Dollar lässt der Kreml in den Sicherheitsapparat fließen, der Inlandsgeheimdienst FSB wird gemeinsam mit Polizei und Militär alles koordinieren. Die ganze Stadt ist mittlerweile eine Sicherheitszone. Wobei Michael Vesper, Generaldirektors des DOSB, weiß: „Hundertprozentige Sicherheit wird man nie garantiert können."

„Die da oben werden die Situation im Auge behalten", sagt Hüttel. „Ich bin ehrlich: Klar bin ich beunruhigt. Aber ich beschäftige mich tagtäglich mit dem Sportlichen. Wettkämpfe, Training, Nominierungen. Da habe ich nur wenig Zeit für andere Sachen." Bis zu zwölf Stunden arbeitet er momentan täglich, analysiert, organisiert, spricht mit den Sportlern und Trainern.  Bereits im Oktober war er für vier Tage in Sotschi, er schwärmt von der positiven Grundstimmung dort, erzählt, dass es im Herbst zwar noch einige Baustellen gab, „aber die Sportstätten sind in einem ganz tollen Zustand".

Auch Stefan Pecher wird am 2. Februar mit einem etwas mulmigen Gefühl in den Flieger Richtung Sotschi steigen. Pecher ist Arzt, hat eine Praxis in Fichtelberg, bei den Olympischen Spielen wird er der Leitende Mannschaftsarzt sein. Schon in Turin und Vancouver war der 47-Jährige dabei, kennt das Riesenspektakel, die Menschenmengen, die Sicherheitskontrollen. „Wie am Flughafen" seien die Kontrollen eigentlich. Nur eben viel häufiger und strenger. Ohne Sondergenehmigung kommt kein Auto mit außerstädtischem Kennzeichen mehr in die Stadt.

Hoffnung auf ein kleines Zeichen

Fast täglich steht der Mediziner im Kontakt zu seinen Athleten. „Die und ich, wir grübeln schon. Wenn wir telefonieren, werden die Anschläge und die Sicherheit oft angesprochen." Auch mit seiner Familie, der Frau und seinen drei Kindern, 15, 17 und 21 Jahre, hat er über mögliche Gefahren geredet. Nicht fahren kommt aber momentan weder für Hüttel noch für Pecher in Frage.

Im olympischen Dorf werden die beiden nicht wohnen. Gemeinsam mit ihren Sportlern beziehen sie ein eigenes Quartier, direkt neben dem Deutschen Haus, nur zehn Minuten von der Schanzenanlage entfernt. Mit Angst um die Sicherheit der Mannschaft habe das nichts zu tun, sagt Pecher. „Aber die Hektik im Dorf ist einfach zu groß, an Nachtruhe ist da nicht zu denken."

Auch Pecher geht es in erster Linie um das Sportliche, seine Athleten. „Aber allgemein finde ich es gut, wenn sich das Land öffnet und politische Probleme angesprochen werden." Zwar sind die Olympischen Spiele dafür keine Bühne, denn wenn es nach der Olympischen Charter geht, sind „politische, religiöse oder rassistische Demonstrationen oder Propaganda jeglicher Art in den olympischen Stätten nicht erlaubt". Aber Pecher hofft trotzdem, dass seine Sportler bei den eigentlich unpolitischen Spielen kleine, stille politische Zeichen setzen werden. Wie eine kleine Regenbogenflagge, Symbol für Toleranz und die Rechte Homosexueller, auf den Fingernägeln oder als Anstecker. „Das sind kleine Gesten mit großer Wirkung." So was brauche der Sport. Und die Politik.

Bilder