Dass der ranghöchste Fußballfunktionär diese Form der Machokultur nun vor einer Weltöffentlichkeit aufführte, verursachte riesige Aufregung. Irene Montero, Spaniens Gleichstellungsministerin, ließ wissen: „Es ist eine Form der sexuellen Gewalt, die wir Frauen täglich erleiden und die bisher unsichtbar war und die wir nicht normalisieren dürfen.“ Im ähnlichen Duktus äußerte sich auch die Ministerin für soziale Rechte, Ione Belarra: „Wir alle denken: Wenn sie das vor den Augen ganz Spaniens tun, was werden sie dann nicht auch im Privaten tun? Sexuelle Gewalt gegen Frauen muss ein Ende haben.“
Und plötzlich steht die Frage im Raum, ob der öffentliche Protest von 15 Nationalspielerinnen, von denen nur drei zur WM zurückkehrten, gegen die Zustände im Verband vielleicht nicht auch solches Verhalten implizierte. Wer weiß, was hinter den Kulissen passiert? Der für seinen Machthunger bekannte Rubiales hatte nach der Revolte fest an der Seite der Familie Vilda gestanden. Neben Jorge Vilda besitzt auch Vater Angel seit Langem einen Verbandsposten. Vielleicht störten sich „Las 15“ an einem Umgang, in dem Tabuzonen verschwimmen. Eine Aufarbeitung im Männerzirkel RFEF tut not, vermutlich werden Gesellschaft und Politik dafür viel Druck erzeugen und vor allem aufrechterhalten müssen .
Verschwimmen Tabuzonen im spanischen Verband?
Auch die Frauen hätten jetzt die Macht, diese Missstände nicht mehr hinzunehmen. Bei der WM hat eine neue Generation gestrahlt, die dafür sorgen kann, dass nicht nur ein Stern auf das rote Trikot gestickt wird. Nicht nur Angreiferin Salma Paralluelo (19) steht der Weg zur Weltkarriere offen. Den Goldenen Ball als beste Spielerin hatte Aitana Bonmati empfangen, die mit ihrer Technik und ihrem Instinkt das Turnier prägte.
Als Hommage an den Vereinsheiligen Johan Cruyff trägt sie bei Champions-League-Sieger FC Barcelona die Rückennummer 14 – bei der WM war es die Sechs von Xavi. Sie ist nach ihrem Rücktritt wieder zurückgekehrt, deutete sie einmal an, weil sie wie ihre Idole Xavi und Iniesta eine weltmeisterliche Krönung erleben wollte. Sie trumpfte so eindrucksvoll auf, dass vor dem Endspiel Ex-Barça-Coach Pep Guardiola leichtsinnigerweise gestand: „Ich bin komplett verliebt in sie.“ Beim liebevoll nach schönem Fußball spanischer Bauweise verrückten Trainer von Manchester City wusste allerdings jeder, wie solche Sätze gemeint waren.