Obwohl Aenderl, der seit 1931 fest in Kulmbach wohnt und als Versicherungsvertreter arbeitet, politisch kaum mehr in Erscheinung getreten ist, steht er nach dem „Rathaussturm“ am 9. März 1933 auf der Abschussliste ganz vorne. Zusammen mit bekannten SPDlern, KPD-Mitgliedern und den jüdischen Familienvorständen (insgesamt 28 Mann) wird er im Stadtgefängnis in „Schutzhaft“ genommen und wiederholt verhört. Erst Mitte April kommt er wieder frei.
Von Mitbürgern bespitzelt
Die gleiche Schikane erleidet er zwei Wochen später in Bamberg: Am 22. Mai wird er von der Gestapo verhaftet, da er seine Versicherungsvertretung genutzt haben soll, Kontakte zu früheren Genossen herzustellen. Seine Entlassung und die Rückkehr zu seiner Familie nach Kulmbach am 1. Juni ist mit der Auflage verbunden, als Tagelöhner zu arbeiten. Nicht nur die Polizei oberserviert ihn, auch manche Kulmbacher geben sich als Spitzel her, wie die Polizeiprotokolle im Stadtarchiv zeigen. Am 3. November 1933 zum Beispiel ergeht „von einer ungenannt bleiben wollenden Frau“ der Hinweis, Aenderl habe sich in Mangersreuth nach dem Briefkasten erkundigt: „Aenderl ging hierauf auf den Briefkasten zu und warf zwei Briefe hinein.“
In Aenderl reift der Entschluss, ins Ausland zu gehen, auch, um seine Familie vor weiteren Nachstellungen zu schützen. Als ihm im August 1934 zugesteckt wird, die Gestapo werde die Wohnung durchsuchen und ihn womöglich in ein Konzentrationslager bringen, ergreift er die Flucht. Ohne Gepäck und ohne Papiere setzt er sich in die Tschechoslowakei ab. Seine Frau Katharina muss erleben, wie ihre Wohnung in der Reichelstraße durchwühlt, Möbel, Bilder und Wertgegenstände abtransportiert werden.
Geheime Lebenszeichen
Die Zeit danach ist für beide die Hölle: Seine Frau weiß nicht, wo er sich aufhält, wie es ihm geht – erst später wird sie ab und an geheime Lebenszeichen erhalten. Für Aenderl selbst beginnt eine Odyssee über Polen und Dänemark nach England. In seinem fünfjährigen Exil in London hält er sich notdürftig durch Zeitungsbeiträge und Radiosendungen für die BBC über Wasser. Intensiven Kontakt hat er mit emigrierten Linken, doch auch mit ausgeprägten bayerischen Föderalisten. Sie sind es, die sein Denken in den letzten Lebensjahren prägen.
Auf Wunsch des bayerischen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner kehrt Aenderl am 18. März 1946 nach Deutschland zurück. Hoegner, Emigrant wie er, würdigt ihn in seiner Regierungserklärung als Vorbild für Mannesmut. Doch als Aenderl einen SPD-Bezirkstag besucht, ist er tief enttäuscht: man kennt ihn nicht, schätzt ihn nicht. In einem Brief an Hoegner am 1. Oktober („Lieber Willy“) sieht er sich nur noch als „Fremdkörper in Bayern“. Zwei Monate später tritt er in die „Bayernpartei“ ein.
Seine letzten Lebensjahre sind von Rückschlägen geprägt: Als Redakteur bei der „Mittelbayerischen Zeitung“ in Regensburg fasst er zunächst Mut, doch dann stellt sich eine schwere Krankheit ein. Todkrank kommt er 1947 in seine Wahlheimat Kulmbach. Auch seine Frau Katharina ist schwer erkrankt. Sie stirbt im Februar 1951. Ein halbes Jahr später erliegt Aenderl einer schweren Krebserkrankung. Getreue hat er nur noch wenige. Die SPD schneidet ihn als Abtrünnigen, auch der Kulmbacher Oberbürgermeister Georg Hagen bleibt auf Distanz. Einzig Hoegner hält zu ihm. Begraben liegt er an der Seite seiner Frau auf dem Kulmbacher Friedhof.