Flüchtlinge: Politiker und Hilfsorganisationen diskutieren über Mängel bei der Eingliederung So klappt's mit der Integration

Von Katharina Wojczenko
Kinderbetreuung in Himmelkron an der Autobahnkirche. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Jobs, Sprachkurse, Kinderbetreuung: Von allem braucht Bayreuth viel mehr. Darüber sprachen am Freitag Kommunalpolitiker, Vertreter von Handelskammer, Handwerkskammer, Arbeitsagentur, der Bayreuther Wohlfahrtsverbände, des THW sowie der Vereine Bunt statt Braun und Condrobs. Eingeladen hatte Annette Kramme, SPD-Staatssekretärin im Arbeits- und Sozialministerium. Das brennt den Politikern und Hilfsorganisationen auf den Nägeln:

 
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Das Hauptproblem: "Wir müssen aus den Einzelmaßnahmen endlich Strukturen erarbeiten", sagt Christi Degen, Hauptgeschäftsführerin der IHK. "Die Arbeit ist häufig unstrukturiert, weil sie Ehrenamtliche machen", sagt Kramme. Diese könnten das aber nicht dauerhaft stemmen. "Wir brauchen maximalen Pragmatismus, minimale Bürokratie und Ideologie", fordert der Pegnitzer Bürgermeister Uwe Raab.

Sprache: Bis Flüchtlinge den ersten Sprachkurs belegen dürfen, vergehe derzeit schnell mehr als ein Jahr, kritisiert Hermann Hinterstößer, Geschäftsführer der Caritas. Ein Sprachprojekt der Arbeitsagentur Bayreuth-Hof soll kurzfristig Abhilfe schaffen. Wenn alles klappt, macht die Agentur ab 1. November für zwei Monate Geld locker, berichtet Geschäftsführer Sebastian Peine.

Etwa 4.000 Flüchtlinge im Agenturbezirk sollen Basis-Sprachkurse finanziert bekommen, um im Alltag klarzukommen. Das Problem: Teilnehmer finden. Weil der Arbeitsagentur das Personal fehlt, um in die Unterkünfte zu gehen. "Der Sprachkursträger muss sich die Schüler selbst suchen", sagt Peine. Werner Köstner, Leiter des Bayreuther Sozialamts, sieht in Bayreuth Kandidaten in der Gemeinschaftsunterkunft und den dezentralen Unterkünften.

Ausbildung und Arbeitsmarkt: Arbeit ist ein wichtiger Schritt zur Integration, waren sich alle einig. Aber da hapert es noch, wurde in der Runde deutlich. Derzeit bilden mindestens fünf Betriebe in Oberfranken Flüchtlinge aus, deutlich mehr haben Flüchtlinge angestellt, sagt Christi Degen. "Sie machen das vor allem aus gesellschaftlicher Verantwortung", sagt Degen. "Danach kommt erst die Hoffnung, Fachkräfte heranzuziehen." Für reines Nutzerkalkül sei die Betreuung zu aufwändig.

Erst etwa 20 Flüchtlinge sind oberfrankenweit in einem Ausbildungsverhältnis, viele von ihnen in den Regionen Bayreuth und Hof. Damit es mehr werden, bietet die IHK ein Projekt für Jugendliche in Berufsschulklassen an. Die Azubis hätten "viel zu kämpfen", sagt Degen. Weil sie in der Unterkunft keinen Internetzugang haben und schlecht mit dem Smartphone für die Berufsschule lernen können, sich auf einmal an die Strukturen im Betrieb halten müssen. Der Nahverkehr auf dem Land sei ebenfalls ein Problem. Deshalb werbe die IHK verstärkt in der Gastronomie und Hotels. "Dort gibt es eine Übernachtungsmöglichkeit."

Thomas Koller, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, setzt nicht auf Projekte, sondern seit einem Jahr komplett auf Ausbildung. "Das ist am effizientesten für alle." Koller sieht große Bereitschaft bei den Betrieben, Flüchtlinge auszubilden. "Probleme sehe ich bei der Umsetzung."

Die Arbeitsagentur Bayreuth-Hof könnte ab November ebenfalls aktiv werden, berichtet Geschäftsführer Sebastian Peine. Mit einer zwölfwöchigen Kombi aus Kennenlernen, Betriebspraktikum und Bewerbungstraining. "Zuvor hatten wir vor der Anerkennung des Asylantrags keine Rechtsgrundlage dafür."

Für die Flüchtlinge, die nicht arbeiten dürfen, verweist Kramme auf das Beispiel Warmensteinach. Die Gemeinde versuche, verstärkt Flüchtlinge in die ehrenamtliche Arbeit einzubringen. Sie könnten sich per Ehrenamtspauschale oder Übungsleiterpauschale etwas dazuverdienen, ergänzt Kramme. Eine sinnvolle Beschäftigung sei wichtig, damit sich in der Unterkunft keine Aggressionen entwickeln.

Kindergarten und Schule: Kindergartenkinder aus 25 Nationen - das ist in Berlin schon Realität, berichtet Kramme. "Es existiert aber bundesweit kein pädagogisches Konzept dafür." Harald Schlegel, Bürgermeister aus Gefrees, hat ein ganz anderes Problem: die demographische Entwicklung. "Wir mussten Betreuungsplätze abbauen - das fällt uns jetzt auf die Füße." Wo man die Plätze für Flüchtlingskinder braucht. Aber ob sich der Ausbau lohnt? "Wir wissen nicht, wie lange sie bleiben." Irene von der Weth vom Paritätischen Wohlfahrtsverband sagt: "Auch Hilfe braucht Hilfe." Zum Beispiel in der Übergangsklasse in Weidenberg. Der Förderkreis habe bis heute keinen Bescheid, dass die Sozialarbeiterin finanziert werde.

Betreuung: "Bei uns läuft das relativ gut, weil wir immer Leute vor Ort haben", berichtet Harald Schlegel, Bürgermeister von Gefrees. " Dort leben 75 Flüchtlinge aus zwölf Nationen. Die Gemeinde könnte günstig Verstärkung bekommen. Demnächst gibt es 10.000 zusätzliche Bundesfreiwilligendienststellen für die Flüchtlingsarbeit, informierte Kramme. Sie werden nach dem Königssteiner Schlüssel auf die Länder verteilt. Innerhalb der Länder gelte das Windhundprinzip. Kramme rät daher den Gemeinden, sich schnell um Bufdi-Stellen zu bewerben.

Dolores Longares-Bäumler von der Migrationsberatung der Caritas warnt davor, von den Flüchtlingen zu viel zu erwarten. Sie hätten teilweise Unbeschreibliches erlebt. "Selbst wenn die Angebote gut sind, kommt das zwischendurch hoch."

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