Flüchtlinge: Die Situation in Oberfranken

Von Christina Knorz
Ankommen: Vor zwei Jahre kamen die Flüchtlinge in Bussen. Es ging um ärztliche Versorgung, Kleider und Essen. Heute geht es um das Ankommen in der Gesellschaft. Foto: Archiv/Ronald Wittek Foto: red

Zwei Jahre nach dem sprunghaften Anstieg der Flüchtlingszahlen bewerten Verantwortliche die Lage in Bayreuth, Bamberg und Hof sehr unterschiedlich. In Bayreuth fehlt vor allem bezahlbarer Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge. Hof hat den, und deshalb ächzt die Stadt unter dem Zuzug von 1000 Flüchtlingen in nur einem Jahr. Bamberg hadert derweil mit der steigenden Kriminalität. Ein Überblick über drängende Fragen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Bayreuth fällt aus dem Rahmen. Im Vergleich zu den beiden oberfränkischen Nachbarstädten Bamberg und Hof ist es in Bayreuth ruhig geworden um die Frage, wie die Stadt mit der Ankunft von vielen Flüchtlingen klarkommt.

Vor zwei Jahren ging es um ärztliche Versorgung, Essen und Kleidung, erinnert sich Tina Krause von Bunt statt Braun. Heute liegen die Herausforderungen in der tatsächlichen Integration in die Stadtgesellschaft, im erfolgreichen Spracherwerb, der Teilnahme am Arbeitsmarkt, der Möglichkeit, eine Wohnung zu finden und politischer Mitbestimmung. Pauschalantworten gebe es dafür nicht. "Flexibel und pragmatisch", müssten Lösungen gefunden werden, sagt Sozialreferentin Manuela Brozat. Hof steht in diesen Fragen allerdings vor ganz anderen Herausforderungen als Bayreuth.

Unkontrollierter Zuzug nach Hof

Der Hofer Oberbürgermeister Harald Fichtner (CSU) ließ Anfang August eine Bombe platzen. Er forderte politische Konsequenzen in der Zuteilung von anerkannten Flüchtlingen in Bayern. Den kontinuierlichen Zuzug von 160 Flüchtlingen pro Monat sieht der Politiker "mit wachsender Besorgnis". Nach aktuellem Stand leben in Hof (47.000 Einwohner) gut 1600 anerkannte Flüchtlinge. Im Vergleich zum Sommer 2016 sind das 1000 mehr.

Zum Vergleich: In Bayreuth leben laut Ausländeramt 650 anerkannte Flüchtlinge. Dabei hat Hof gut 25.000 Einwohner weniger als Bayreuth. Sie seien eine "integrationserfahrene" Kommune, sagt Fichtner in einem Interview mit TV Oberfranken, mit fast 120 Nationen. Allerdings müsse man der Stadt auch Zeit für die Integration lassen und die Zahl der Zuzüge beschränken, um Parallelgesellschaften zu verhindern. Die Staatsregierung sagte Abhilfe zu.

Wohnraum, den man Einheimischen nicht anbieten würde

"Die Flüchtlinge kommen bereits mit unterschriebenen Mietverträgen ins Ausländeramt oder das Bürgerzentrum", sagt Rainer Krauß, Sprecher der Stadt Hof. Aufgrund des Strukturwandels hat Hof im Innenstadtbereich "sehr günstigen, schlechten oder schlecht sanierten Wohnraum". Die Stadt kritisiert, dass viel Wohnraum auf den Markt geworfen wird, den man der heimischen Bevölkerung nicht vermitteln könne. "Der Freistaat kommt dann für die Miete auf", sagt Krauß. Das sei nicht illegal, aber schade der Stadtentwicklung. "Weil man statt zu investieren aus den allerletzten Bruchbuden noch Geld zieht."

Mittlerweile hat München reagiert. Familien- und Integrationsministerin Emilia Müller sagte der Frankenpost, die Staatsregierung werde den Zuzug nach Hof begrenzen. Dazu gehöre unter anderem, keine Wohnsitzzuweisungen für anerkannte Flüchtlinge nach Hof vorzunehmen. Außerdem "verteilen wir auch Asylbewerber aus der Stadt Hof weg in andere Regionen". Wie das genau aussehen soll, wurde Ende vergangener Woche noch nicht bekannt.

Die Erstaufnahme in Bamberg

Deutlich mehr Asylbewerber als Bayreuth hat mittlerweile auch Bamberg. Seit dem Umzug der Erstaufnahmereinrichtung im Juli 2016 in die Nachbarstadt, bekommt Bayreuth von den neu ankommenden Flüchtlingen in Oberfranken kaum noch etwas mit. Die reguläre Erstaufnahmeeinrichtung in Bamberg, die vorher in Bayreuth bestanden hat, hat momentan über 1000 Bewohner. "Diese Bewegungen hätten sonst in Bayreuth stattgefunden", bestätigt Oliver Hempfling, Sprecher der Regierung von Oberfranken.

Zunächst werden die Flüchtlinge dort registriert, ärztlich versorgt und stellen einen Antrag auf Asyl beim Bundesamt für Migration (Bamf). Besteht eine Bleibeperspektive, wohnen sie für die Dauer des Asylverfahrens in staatlichen Unterkünften, wie in der Wilhelm-Busch-Straße 5 in Bayreuth (derzeit gut 280 Personen). Oder sie werden den Städten und Landkreisen zur Unterbringung zugewiesen, solange das Bamf den Fall prüft. Die Stadt Bayreuth hat derzeit knapp 180 Asylbewerber dezentral untergebracht. Erkennt das Bamf den Asylantrag an, müssten sie eigentlich aus den Übergangseinrichtungen ausziehen und sich eine Wohnung suchen.

Wohnen in Bayreuth

"Das ist grundsätzlich immer schwierig", sagt die Bayreuther Sozialreferentin Manuela Brozat. Passender Wohnraum für Familien sei in Bayreuth "generell sehr schwierig". Noch schwieriger werde es bei Sozialleistungsempfängern. Da der Wohnraum auch bezahlbar sein müsse. Die Wohnungsbaugesellschaften seien der Stadt dabei "eine große Hilfe". Aber das Angebot sei begrenzt und der Bedarf danach bestehe "natürlich auch bei anderen Bürgern der Stadt Bayreuth". Für Tina Krause ein kritischer Punkt. In Sachen sozialem Wohnungsbau sieht sie "dringenden Handlungsbedarf", sagt Krause. "Wir dürfen kein Ungerechtigkeitsgefühl aufkommen lassen, wer eine bezahlbare Wohnung bekommt."

Uwe Prokscha, Geschäftsführer der Gewog in Bayreuth, kann den Eindruck nicht nachvollziehen, dass es keinen bezahlbaren Wohnraum in der Stadt gibt. "Aus unserer Sicht ist der vorhanden." Die Gewog, die GBW und der Bauverein hätten zusammen 40 Prozent des Bestandes an Mietwohnungen in Bayreuth (7600 der 20.000 Wohnungen). "Wir liegen alle unter einer Durchschnittsmiete von 4,50 Euro für den Quadratmeter", sagt Prokscha. 20 Prozent unter dem Schnitt der Wohnungswirtschafts-Verbände.

Kaum günstige Wohnungen für Großfamilien

Der Familiennachzug von Flüchtlingen stellt die Stadt derzeit vor "noch größere Herausforderungen", sagt Brozat. "Die Familien kommen sehr plötzlich nach Ausstellung eines Visums hierher und wohnen dann meist bei dem bereits anwesenden Familienmitglied, oft zunächst in einem Ein-Zimmer-Appartment."

Da das zunächst ankommende Familienmitglied alleine keine größere Wohnung anmieten könne und die Suche dauere, leben fünf- bis sechsköpfige Familien lange Zeit auf engem Raum. "In Bayreuth gibt es kaum günstige Wohnungen für Großfamilien, das ist ein Problem." Was allerdings gelinge, sei, durch die dezentrale Unterbringung die Bildung von "sozialen Brennpunkten und Ghettoisierung zu vermeiden".

Geduldete Flüchtlinge werden zum Problem

Tina Krause bewertet diesen Aspekt ein wenig anders. Familien würden dezentral untergebracht. "Aber nicht die jungen Männer." Und genau die würden Integration "dringend brauchen. Die wohnen in Sechsbettzimmern in der Gemeinschaftsunterkunft." Die Situation verschärfe sich, wenn ihr Asylgesuch nicht anerkannt, sondern ihr Aufenthalt in Deutschland nur geduldet sei, sprich: wenn sie auf ihre Abschiebung warten. "Dann hängen sie hier rum, ohne Perspektive und ohne einen Ausbildungsplatz zu bekommen", kritisiert Krause.

Es gebe "Kettenduldungen", bei denen Menschen "sechs bis sieben" Jahre ohne abgeschoben zu werden in Bayreuth wohnen. "Das kostet den Steuerzahler Geld", sagt Krause. Und das sei unnötig. "Dass er bis zur Abschiebung bei Mc Donalds arbeitet und seine Sozialleistungen selbst zahlt, ist doch besser, als wenn er planlos im Sechsbettzimmer sitzt und 150 Euro im Monat bekommt." In Bezug auf Geduldete sei das Asylgesetz "nicht wirtschaftlich".

Ein dichtes Netz an Unterstützern

Großen Handlungsbedarf sehen Krause und Brozat darin, Ehrenamtliche bei ihrer Arbeit mit Flüchtlingen zu unterstützen. Der Beratungsbedarf der Flüchtlinge sei heute anders als vor zwei Jahren. Jetzt gehe es darum, Anträge vom Jobcenter auszufüllen, Wohnungen zu beantragen und die Sprache gut zu lernen. Darüber hinaus hat sich die Stadt als Modellprojekt für hauptamtliche Integrationslotsen beworben und den Zuschlag erhalten. "So soll eine offene Stadtkultur geschaffen werden", sagt Brozat.

Sie sieht eine "gelebte Willkommenskultur" in der Stadt. "Die Bayreuther erkennen, wenn Hilfe gebraucht wird und handeln entsprechend", sagt auch Krause. Die Kirchen, Verbände, Initiativen und einzelne Ehrenamtliche brächten viel Energie in der Betreuung, Beratung und der Weiterbildung von Flüchtlingen ein. Wie in Hof und Bamberg auch gibt es ein dichtes Netz an Unterstützung von offizieller und privater Seite.

Anstieg der Kriminalität

Thomas Schreiber, Leiter der Polizeiinspektion Bamberg Stadt, hat im Juli mit einem Bericht zur Kriminalitätsstatistik Lokalpolitiker aufgescheucht. Danach verzeichnete die Polizei 14 Prozent mehr Straftaten als im Vorjahreszeitraum. Diebstähle insgesamt nahmen von Januar bis Juni diesen Jahres um 18 Prozent zu, Ladendiebstähle um 20 Prozent, Fahrraddiebstähle um 30 Prozent.

61 Prozent häufiger als im Jahr zuvor seien Zuwanderer an den Straftaten beteiligt gewesen. "Das muss man als Fakt akzeptieren", sagt Stadt-Sprecher Steffen Schützwohl. (Zahlen über Trends in der Kriminalitätsstatistik in Bayreuth und Hof sind angefragt und folgen in einem gesonderten Bericht. Anmerkung der Redaktion.)

Flüchtlinge fallen auf im Bamberger Stadtbild

Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung nehme die Stadt Bamberg ernst. "Es gibt Sorge und Verunsicherung", sagt Schützwohl. In unmittelbarer Nachbarschaft der Aufnahmeeinrichtung Oberfanken (AEO, derzeit 1300 Bewohner) ist ein Ombudsteam tätig, das sich um die Anliegen der Anwohner kümmert. Eine Buslinie wurde eingerichtet, damit die Asylbewerber nicht durch das Wohngebiet laufen müssen, wenn sie in die Stadt wollen.

Im Stadtbild falle auf, dass mehr ausländische Gruppen unterwegs seien, sagt Schützwohl. "Oft ganz harmlos, manchmal fallen sie aber auch zu später Stunde negativ auf." Man müsse aber auch aufpassen, dass man nicht alles in Richtung der Asylbewerber interpretiert. "Das würde der Realität auch nicht gerecht." Auch in Bamberg ist bezahlbarer Wohnraum knapp. In sieben Jahren hätte die Bevölkerung einen Sprung von 5000 Einwohnern gemacht. "Wir profitieren von hunderten neuer Arbeitsplätze, der Uni und der allgemeinen Attraktivität der Stadt", sagt Schützwohl. Aber beim sozialen Wohnungsbau hätte die Stadt Nachholbedarf.

Bilder